Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Unterbringung in einem Übergangshaus. Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger. Maßgeblichkeit von Rahmenvertrag und Vergütungsvereinbarung. Wirksamkeit einer Vereinbarung zwischen Sozialhilfeträger und Grundsicherungsträger über die Aufteilung der Kosten. Rechtswirkung vom Grundsicherungsträger bereits erbrachter Zahlungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Anspruchsgrundlage der Vergütung der Sachleistung "Übergangshaus" ist der Bewilligungsbescheid an den Heimbewohner als Verwaltungsakt mit Drittwirkung in Verbindung mit dem Rahmen- und Vergütungsvertrag nach §§ 75, 79 SGB XII (Anschluss an BSG vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R = BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9; vgl LSG Berlin-Potsdam vom 12.12.2019 - L 31 AS 302/17).

2. Vor dem Hintergrund des daraus folgenden Schuldbeitritts bleibt ohne Bedeutung, welchen Zahlbetrag der Sozialhilfeträger in Abweichung von dem Vergütungsvertrag in den Bewilligungsbescheid aufgenommen hat. Der Schuldbeitritt knüpft an die Bewirkung der Sachleistung an (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 12.12.2019 - L 31 AS 302/17).

3. Die nach §§ 75, 79 SGB XII geschlossenen Verträge werden jedenfalls in der vorliegenden Konstellation weder von zivilrechtlichen Vereinbarungen der Bewohner des Übergangshauses mit dem Leistungsträger noch von grundsicherungsrechtlichen Rechtsbeziehungen überlagert (vgl LSG München vom 4.2.2016 - L 18 SO 89/14 = Sozialrecht aktuell 2016, 203 zu einer anderen Fallgestaltung).

4. Die Erbringung von Leistungen des Jobcenters nach § 22 SG II (KdU) bewirkt jedenfalls dann keine Erfüllung des vom Sozialhilfeträger dem Leistungserbringer geschuldeten Unterkunftsteils der Gesamtvergütung laut Vergütungsvertrag, wenn der Sozialhilfeträger eine solche Forderung grundsätzlich bestreitet und das Jobcenter darauf beharrt, lediglich eigene Forderungen erfüllt zu haben (zur Erfüllungswirkung grundsätzlich nach § 107 SGB X und § 267 BGB vgl LSG Berlin-Potsdam vom 12.12.2019 - L 31 AS 302/17).

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2016 abgeändert.

Die Beigeladene wird verurteilt an den Kläger 8.148,93 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz ab 26. September 2017 zu zahlen.

Der Beigeladene trägt die gesamten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 8.148,93 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung der Leistung „Übergangshaus“; insbesondere geht es darum, wer den Unterkunftsanteil an der Gesamtvergütung zu tragen hat, der Beklagte oder der Beigeladene.

Der Kläger ist Träger der Einrichtung „Übergangshaus“ in der L Straße in B. Aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen der Liga der Wohlfahrtsverbände, an denen der Kläger über das Diakonische Werk partizipiert, und der zuständigen Berliner Senatsverwaltung (für Soziales), erbringt der Kläger im „Übergangshaus“ die im Berliner Rahmenvertrag vom 1. Januar 1999 in der jeweils gültigen Fassung nebst Anlagen vorgesehenen Leistungen für den Personenkreis nach § 67 Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch (SGB XII), also für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten wie Wohnungslose, von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen und Haftentlassene.

Unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) wurden die Kosten für den Leistungstyp „Übergangshaus“ als stationäre Einrichtung komplett durch das zuständige Sozialamt/Soziale Wohnungshilfe übernommen. Mit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) und des SGB XII zum 1. Januar 2005 übernahmen die Sozialämter nicht mehr die komplette Leistung, sondern zahlten zwar die Leistungen der persönlichen Hilfe weiter, hielten aber hinsichtlich des Unterkunftsanteils die Jobcenter für den zuständigen Träger für die Zahlung.

Nach übereinstimmendem Vortrag des Klägers, des Beklagten und des Beigeladenen hat die mit Inkrafttreten der SGB II und SGB XII eingetretene Gesetzesänderung bisher keinen Niederschlag im Berliner Rahmenvertrag zur Zuständigkeit für die Leistung gefunden. Dies gilt ebenso für den Vergütungsvertrag in der jeweils geltenden Fassung.

Nach der im hier streitigen Zeitraum einschlägigen Vergütungsvereinbarung wird für die Leistung „Übergangshaus“ eine insoweit unstrittige Gesamtvergütung von 43,93 Euro täglich pro Leistungsberechtigten gezahlt, die ebenfalls unstreitig einen nach dem SGB XII ermittelten Unterkunftsanteil von 12,29 Euro enthält, so dass der Anteil für die persönliche Hilfe 31,64 Euro beträgt. Allerdings schreibt der einschlägige Vergütungsvertrag nur die Gesamtvergütung von 43,93 Euro fest, die Aufteilung in Unterkunftsanteil und persönliche Hilfe lässt sich der Vergütungsvereinbarung nicht entnehmen.

Nachdem die Vertragslage der Gesetzesänderung (Inkrafttreten SGB II und SGB XII zum 1. Januar 2005) jedenfalls im Hinblick auf die Zuständigkeit für die Zahlung nicht angepasst wu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge