Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufforderung zur vorzeitigen Rentenantragstellung. Unbilligkeitsverordnung
Orientierungssatz
1. Allein der Umstand, dass eine Altersrente nicht bedarfsdeckend ist und deshalb neben der Rente noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei Alter oder Behinderung bezogen werden müssen, steht der Verpflichtung zur vorzeitigen Rentenantragstellung eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht entgegen und begründet insbesondere keinen atypischen Fall, der im Rahmen des Ermessens eines Grundsicherungsträgers bei der Entscheidung über die Aufforderung zur Rentenantragstellung zu berücksichtigen ist.
2. Jedenfalls solange ein Rentenverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen ist, bleibt ein auf die Anfechtung gerichtetes sozialgerichtliches Verfahren gegen die Aufforderung zur Rentenantragstellung an einen Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende statthaft.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung des Beklagten an den Kläger, die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters zu beantragen.
Der 1951 geborene Kläger stand bei dem Beklagten im fortlaufenden Leistungsbezug. Er arbeitet seit 2012 im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als Haushaltshelfer zehn Stunden pro Woche mit einem monatlichen Netto-Verdienst iHv 100,00 € und ab Juli 2015 iHv 150,00 €. Mit dem Beklagten schloss er am 15. Dezember 2014 eine bis zum 14. Juni 2015 gültige Eingliederungsvereinbarung ab.
Durch Bescheid vom 5. Dezember 2014 forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 22. Dezember 2014 zur Stellung eines Antrages auf Bewilligung einer Altersrente mit Abschlägen bei seinem Rentenversicherungsträger auf. Nach der von ihm eingereichten Rentenauskunft bestehe die Möglichkeit eines Rentenbezuges mit Abschlägen ab dem 1. November 2014, abschlagsfrei sei ein Rentenbezug erst ab dem 1. April 2017 möglich. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers, mit welchem er geltend machte, die geminderte Rente sei für ihn mit dem lebenslangen Bezug von Sozialleistungen verbunden und die Verpflichtung zur Antragstellung für ihn deshalb unzumutbar, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2015 als unbegründet zurück. Die in Ausübung des anzuwendenden Ermessens getroffene Entscheidung über die Aufforderung zur Antragstellung erfülle die Voraussetzungen der § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II und 12a Satz 1 SGB II iVm der Unbilligkeitsverordnung. Der Kläger sei ausweislich der vorgelegten Rentenauskunft sowohl bei geminderter als auch bei ungeminderter Rentenhöhe auf ergänzende Leistungen zur Grundsicherung im Alter angewiesen. Durch seine Beschäftigung würde auch kein monatliches Einkommen von mehr als 450,00 € erzielt, die Aufnahme einer höhervergüteten Tätigkeit durch den Kläger sei nicht wahrscheinlich. Trotz der Eingliederungsvereinbarung vom 9. Juli 2013, in welcher er sich verpflichtet habe, sich um eine höhervergütete Tätigkeit zu bemühen, sei bis heute keine Veränderung zu erkennen.
Am 18. März 2015 stellte der Beklagte bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn/See einen Antrag auf Bewilligung der Altersrente gem. § 5 Abs. 3 SGB II, der Kläger stellte einen Rentenantrag am 11. Januar 2016 mit einem Rentenbeginn am 1. Mai 2016. Über beide Rentenanträge ist noch nicht entschieden.
Am 13. April 2015 hat der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2015 vor dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben und vorgetragen, der Beklagte habe sein Ermessen bei der Entscheidung über die Aufforderung zur Antragstellung einer Rente nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Durch die vorzeitige Inanspruchnahme seiner Regelaltersrente sei die gleichzeitige Beantragung von Leistungen nach dem SGB XII notwendig, dies könne nicht im öffentlichen Interesse liegen. Es sei ihm nicht zuzumuten, eine Rente zu beantragen, die unter dem Existenzminimum liege.
Durch Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Aufforderung des Beklagten an den Kläger zur Beantragung der vorzeitigen Altersrente sei nicht zu beanstanden, die Anfechtungsklage deshalb unbegründet. Die Voraussetzungen des § 12a Satz 1 SGB II hätten vorgelegen, da der Kläger laufend Leistungen nach dem SGB II bezogen habe, die Beantragung der vorzeitigen Altersrente auch geeignet gewesen sei, seine Hilfebedürftigkeit zumindest teilweise zu verringern und auch kein Fall der Unbilligkeitsverordnung vorgelegen habe. Selbst unter Berücksichtigung der vom Kläger für Mai 2014 angekündigten Aufstockung seines Minijobs auf 200,00 ...