Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Streit über Honoraransprüche einer Insolvenzschuldnerin. überörtliche zahnärztliche Berufsausübungsgemeinschaft. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Fortsetzung der GbR nach Kündigung eines Gesellschafters. Unmöglichwerden des Zwecks der GbR
Orientierungssatz
1. Zum Streit über Honoraransprüche einer Insolvenzschuldnerin, einer überörtlichen zahnärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).
2. Die fristlose Kündigung einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter (§ 723 Abs 1 S 2 BGB) führt grundsätzlich zur Auflösung der Gesellschaft. Denn das Gesetz geht für die GbR von der Vorstellung aus, dass diese Personengesellschaft an den jeweiligen Gesellschafterbestand gebunden ist und die Gesellschafter unauswechselbar sind. Grundsätzlich löst deshalb schon der "Wegfall" auch nur eines Gesellschafters (durch Tod, Kündigung oder Insolvenz) die Gesellschaft auf (vgl §§ 723ff BGB). Die GbR besteht im Anschluss als Liquiditätsgesellschaft mit der Folge fort, dass nur diese berechtigt ist, entstandene Honorarforderungen einzuziehen oder abzutreten (vgl OLG Celle vom 30.8.2006 - 3 U 54/06).
3. Ist Zweck einer GbR die Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit im Rahmen einer KZV-übergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft (KüBAG) mit einem Vertragsarztsitz im Zulassungsbezirk einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV), so ist die Ausübung dieses Zwecks im Falle einer Kündigung des Gesellschaftsvertrags durch eine Zahnärztin nicht mehr möglich, wenn diese Zahnärztin die einzige Ärztin der KüBAG mit einen Praxissitz im Zulassungsbezirk der KZV ist.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Juli 2016 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit sind Honoraransprüche einer Insolvenzschuldnerin, einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).
Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg eröffnete mit Beschluss vom 2. Juli 2012 (36 f IN 2371/12) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Die Gesellschafter dieser GbR (Dr. S W, Dr. A R, Dr. R F, Dr. I P und K F) hatten alle ihren zahnärztlichen Praxissitz im Zulassungsbezirk der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Berlin. Vertragsarztsitz dieser Gesellschaft war W in B.
Bereits zum 1. April 2008 hatten Dr. W und weitere Zahnärzte, jeweils mit Praxissitzen im Zulassungsbezirk der KZV Berlin, eine üBAG gegründet. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen Gesellschafterwechseln. Zum 1. Juli 2011 trat die Zahnärztin S mit einem Praxissitz im Zulassungsbezirk der KZV Land Brandenburg der GbR bei. Die Gesellschafter gründeten daraufhin eine KZV-übergreifende Berufsausübungsgemeinschaft (KüBAG). Als Vertragsarztsitz wählten die Gesellschafter (Dr. S W, Dr. H Z, Dr. R F, Dr. I P, M H, K F und K S) D-H im Zulassungsbezirk der KZV Land Brandenburg.
In dem Gesellschaftsvertrag vom 16. Februar 2011 heißt es:
„Vorbemerkung
Die Partner beabsichtigen ihre vertragsärztliche und privatärztliche Tätigkeit ab dem 1. April 2011 im Rahmen einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft zusammen auszuüben. Die alte Gesellschaft wird fortgesetzt. Sie wird jedoch ihren Vertragsarztsitz gemäß § 33 Abs. 3 Zahnärzte-Zulassungsverordnung in die Lallee, D-H verlegen.
Die Einzelheiten der gemeinsamen Berufsausübung und die gesellschaftsvertraglichen Abreden der Partner regeln sich ab dem 1. April 2011 nach folgendem Vertrag. Der Vertrag über die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft wird unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass sie von dem Zulassungsausschuss bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung genehmigt wird.
I.
Gesellschaftszweck, Sitz, Name der Gesellschaft
§ 1 Vertragszweck
1. Die Partner verbinden sich zur gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen und privatärztlichen Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrages zum 1. April 2011.
2. Die Partner sind übereingekommen, ihre vertragszahnärztliche und privatärztliche Tätigkeit in der Form einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft auszuüben. Zu diesem Zweck gründen die Partner eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auf welche die Vorschrift der §§ 705 bis 740 BGB Anwendung finden, soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist.
§ 2 Praxisschild, Name, Sitz
...
3.Vertragsarztsitz der Gesellschaft gemäß § 33 Abs. 3 Zahnärzte-Zulassungsverordnung ist der Vertragsarztsitz Lstraße, D-H (KZV Brandenburg)
...
§ 28 Fortsetzungsklausel
1. Scheidet ein Partner durch Kündigung, Ausschließung, Tod oder sonstigen Gründen aus der Gesellschaft aus, hat der/haben die andere(n) Partner das Recht und die Pflicht, die Praxis ohne Liquidation unter Übernahme sämtlicher Aktiva und Passiva fortzuführen, soweit sich nicht aus nachstehenden Regelu...