Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Zulassungsentziehung. gröbliche Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten. überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft. lediglich pro forma. diffuse Vertragslage
Orientierungssatz
1. Eine gröbliche Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten liegt vor, wenn der Vertragszahnarzt die vertragszahnärztliche Tätigkeit in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) organisiert und ausübt, die tatsächlich lediglich pro forma, also in der zugelassenen Form nur zum Schein besteht.
2. Eine Pflichtverletzung liegt auch vor, wenn der Vertragszahnarzt diffuse, dh für jeden Dritten unübersichtliche und teilweise widersprüchliche, üBAG-Verträge konzipiert und (allein) dadurch eine Prüfung der Frage, ob die Kooperation dem Recht entspricht, massiv erschwert.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.; die Beigeladenen zu 2. bis 7. tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Land Brandenburg wegen gröblicher Verletzung von vertragszahnärztlichen Pflichten.
Der Kläger ist seit 1991 als Vertragszahnarzt im Land Brandenburg zugelassen.
Er ist nach eigenen Angaben seit 2003 neben seiner Ehefrau Dr. W und anderen Familienangehörigen Gesellschafter und Geschäftsführer des Dentallabors („“) in E.
Der Kläger war seit 1993 in der Vertreterversammlung und seit 1998 durchgängig ehrenamtlich in verschiedenen Ausschüssen der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung tätig, unter anderem über mehrere Jahre als Vorsitzender oder stellvertretender Vorsitzender des Zulassungsausschusses der Beigeladenen zu 1. (von 1998 bis 2001).
Der Kläger war nach eigenen Angaben seit 1997 in einer Praxisgemeinschaft u.a. mit seiner Ehefrau Dr. W tätig. 2004 wurde zwischen den Ärzten/Ärztinnen mittels mündlichen Vertrages die „Praxisgemeinschaft Zahnärzte “ gegründet.
Gemäß dem schriftlichen Vertrag der „Praxisgemeinschaft Zahnärzte R“ vom 28. September 2005 traten Dr. S und G in die Praxisgemeinschaft ein. Der Kläger zeigte dem Zulassungsausschuss unter Vorlage dieses Vertrages die Bildung einer Praxisgemeinschaft ab dem 1. Oktober 2005 an.
Am 26. April 2007 wurde die Praxisgemeinschaft mittels handschriftlichen Beschlusses in eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) umgewandelt. Der Gesellschaftszweck wird darin mit „Nutzung gemeinsamer Organisationsstrukturen, gemeinsame Nutzung von Räumen, Personal und Geräten“ angegeben.
Mit schriftlichem Vertrag vom 30. September 2009 wurde die „Zahnärzte R“ GbR unter dem Namen „WSG & Kollegen GbR“ fortgesetzt (im Folgenden: WSG-GbR). Vertragszweck war die Fortführung der 2004 gegründeten GbR durch „die unterzeichnenden Zahnärzte in Ausübung ihrer freiberuflichen Tätigkeit“. Der Kläger gehörte zu den zeichnungsberechtigten Gesellschaftern der GbR (gemäß Ziff. II.14 Nr. 3 des Vertrags vom 30. September 2009). Als Gesellschafter bezeichnet der Vertrag neben dem Kläger G, Dr. W, Dr. S und S. Neben ihnen werden als „nicht beteiligte Zahnärzte“ Dr. D, Dr. W und O (später: P; im Folgenden: O) benannt. Unterzeichner/-innen des Vertrags sind neben den ausdrücklich als Gesellschafter bezeichneten Ärzten auch diese „nicht beteiligten“ Zahnärztinnen und Zahnärzte.
Der Vertrag über die WSG-GbR vom 30. September 2009 wurde durch einen Vertrag vom 1. Juli 2013 ersetzt. Als Gesellschafter waren nunmehr der Kläger, G, Dr. W, Dr. S, V und O bezeichnet.
Unabhängig hiervon beantragte zunächst allein der Kläger, beginnend mit einem Antrag vom 17. Mai 2008, die Genehmigung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) mit Wirkung vom 1. Juli 2008, zunächst bestehend aus fünf Mitgliedern (ihm selbst, Dr. S, G, S (später V) und Dr. W.
Dr. W, Gesellschafterin der WSG-GbR, war zu keinem Zeitpunkt zwischen 2008 und 2015 Mitglied der vorliegend gegenständlichen üBAGs.
Mit dem Antrag vom 17. Mai 2008 legte der Kläger die Anlage „Praxisgemeinschaft Zahnärzte R“ vom 18. Mai 2008 vor. Danach beschloss die Gesellschaft (der Praxisgemeinschaft) Frau NS zum 1. Juli 2008 in die im September 2004 mündlich gegründete Praxisgemeinschaft „Zahnärzte R“ aufzunehmen; Frau S erwarb 2 % der Anteile (von dem Gesellschaftern Dr. Dr. S und Dres. W). Die (gemeinschaftliche freiberufliche) Tätigkeit sollte ab 1. Juli 2008 mit mehreren Sitzen im Rahmen einer üBAG fortgesetzt werden. Die Gesellschafter „Zahnärzte R“ beschlossen außerdem, die Zahnarztpraxis Dr. W zum 1. Juli 2008 zu erwerben. Dr. W sollte seine zahnärztliche Tätigkeit ab 1. Juli 2008 gemeinsam mit den Gesellschaftern „in Sozietät“ fortsetzen. Gemäß dem Beschluss, den auch Dr. W und Frau S unterzeichneten, war Dr. W nicht am Vermögen „der GbR“ beteiligt, haftete für die von ihm erbra...