Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. sperrzeitbedingte Minderung der Anspruchsdauer. Verlängerung der Anspruchsdauer. Übergangsregelung für ältere Arbeitnehmer. Verlängerung der Minderungsdauer
Leitsatz (amtlich)
Die Verlängerung der Dauer eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 127 Abs 2 SGB 3 aF wegen Inkrafttretens des § 434r Abs 1 SGB 3, führt auch zur Verlängerung der Dauer einer zuvor verhängten Sperrzeit.
Normenkette
SGB III a.F. § 434r Abs. 1, § 127 Abs. 2, § 128 Abs. 1 Nr. 4; SGB III § 333 Abs. 3 S. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten für den gesamten Rechtsstreit nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Überprüfungsverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere Anspruchsdauer.
Der 1947 geborene Kläger war vom 1. August 1975 bis 31. März 2007 bei der D AG beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag beendet. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 17.284 Euro.
Bereits am 22. Dezember 2006 hatte sich der Kläger bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet und Alg für die Zeit ab 1. April 2007 beantragt. Hierauf verfügte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. April 2007 den Eintritt einer Sperrzeit in der Zeit vom 1. April bis 23. Juni 2007, in der der Anspruch auf Alg ruhe. Zudem verfügte sie die Minderung des Anspruchs auf Alg um 135 Tage (ein Viertel der Anspruchsdauer von zum damaligen Zeitpunkt noch 540 Tagen bzw. 18 Monaten). Dementsprechend gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom selben Tag in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. April 2007 Alg für den Zeitraum vom 24. Juni 2007 bis 8. August 2008 in Höhe von täglich 39,31 Euro; in dem Änderungsbescheid verfügte sie zudem ein Ruhen des Alg-Anspruchs wegen einer Entlassungsentschädigung für die Zeit vom 1. April bis 8. Mai 2007.
Vor dem Hintergrund der Neufassung des § 127 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) mit Wirkung zum 1. Januar 2008 und der hierzu durch Gesetz vom 8. April 2008 (BGBl. I S. 681) geschaffenen Übergangsregelung des § 434r SGB III entschied die Beklagte über die dem Kläger zustehenden Leistungen mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 29. April 2008 neu und bewilligte dem Kläger nunmehr unter entsprechender Änderung des Bewilligungsbescheides vom 4. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. April 2007 Alg in Höhe von 39,31 Euro für den Zeitraum vom 24. Juni 2007 bis 23. Dezember 2008 (insoweit neu für die Zeit ab 9. August 2008). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sich der Leistungsanspruch des Klägers geändert habe. Ab 1. April 2007 werde die Anspruchsdauer von 540 auf 720 Tage geändert. In der Zeit vom 1. April 2007 bis 23. Juni 2007 werde der Anspruch um 180 Tage gemindert.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2008 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides 29. April 2008 hinsichtlich der verfügten Leistungsbezugsdauer. Nach seiner Berechnung müsse die gesetzliche Neuregelung zu einem Leistungsbezug bis März 2009 führen. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus: Die Anspruchsdauer sei rückwirkend ab 1. April 2007 auf 720 Tage erhöht worden. Wegen der eingetretenen Sperrzeit vom 1. April bis 23. Juni 2007 ergebe sich deshalb nunmehr eine Minderung des Anspruchs auf Alg um 180 Tage. So verbleibe ein Anspruch auf Alg für 540 Tage, der mit dem 23. Dezember 2008 erschöpft sei.
Zur Begründung des hiergegen gerichteten Widerspruchs machte der Kläger geltend: Nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III sei maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Berechnung der Minderungsdauer nach eingetretener Sperrzeit der Zeitpunkt der erstmaligen Entstehung des Anspruchs auf Alg, hier der 1. April 2007. Die spätere Verlängerung der Anspruchsdauer auf 720 Tagen dürfe deshalb nicht zu einer Verlängerung der Minderungsdauer des Anspruchs auf Alg führen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch mit gleichbleibender Begründung zurück.
Mit der am 19. Februar 2009 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Mit Urteil vom 13. Oktober 2010 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 verurteilt, den Bescheid vom 29. April 2008 zu ändern und dem Kläger ab 1. April 2007 Arbeitslosengeld für 585 Kalendertage zu bewilligen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die Beklagte habe verkannt, dass bezüglich der Minderung des Anspruchs auf Alg keine wesentliche Änderung der (rechtlichen) Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X eingetreten sei. Der Kläger falle unter den Anwendungsbereich der Übergangsregel...