Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Versicherungspflicht. Synchronsprecher. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. Dienstvertrag. Werkvertrag. unständige Beschäftigung. Berufsmäßigkeit. retrospektive Betrachtung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Dauer einer Dienstleistung ist grundsätzlich kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit.
2. Kann ein Erwerbstätiger die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nicht nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen organisieren, spricht dies für eine (abhängige) Beschäftigung.
3. Umfangreiche künstlerische Gestaltungsspielräume sind kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit, denn gerade diese Gestaltung ist die Aufgabe von künstlerisch Tätigen. Solche Freiräume sind typisch für Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung; sie werden ihnen in allen Branchen gerade wegen ihrer erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten eingeräumt (Vergleiche BSG vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R = SozR 3-2400 § 7 Nr 19).
4. Es ist arbeitnehmertypisch und spricht für eine (abhängige) Beschäftigung, wenn Erwerbstätigen die Vergütung unabhängig vom Ergebnis ihrer Tätigkeit und unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis des Auftragsgebers zusteht und sie keine Vergütungsabzüge wegen Schlechtleistung zu befürchten haben (Vergleiche BSG vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 21 und 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R).
5. Arbeitnehmern steht es wie allen anderen, die zivilrechtliche Verträge schließen, frei, ihre Entgeltkonditionen im Vorfeld des Vertragsschlusses zu benennen. Ob sie sich damit durchsetzen, Abstriche hiervon vornehmen müssen oder der Vertragsschluss letztlich scheitert, betrifft kein Wesensmerkmal von Arbeits- oder anderen Beschäftigungsverhältnissen. Generell sind daher für die Statusfrage nur die Umstände nach Vertragsschluss von Belang (Vergleiche BSG vom 4.6.1998 - B 12 KR 5/97 R = SozR 3-2400 § 7 Nr 13 "Ausbeiner"), die Verhältnisse bei der Eingehung eines Beschäftigungsverhältnisses hingegen unerheblich; in diesem Stadium sind beide Vertragsparteien frei, auch wenn Zweckmäßigkeits- oder sonstige Überlegungen bei beiden eine Rolle spielen (Vergleiche BSG vom 22.11.1973 - 12 RK 19/72 und 12/3 RK 83/71).
6. Das Risiko, dass Erwerbstätige an denjenigen Tagen, an denen sie keiner Arbeitspflicht innerhalb des konkret zu prüfenden Vertragsverhältnisses unterliegen, die eigene Arbeitskraft nicht verwerten können, begründet kein Unternehmerrisiko während der Arbeitseinsätze (Vergleiche BSG vom 4.6.1998 - B 12 KR 5/97 R aaO - "Ausbeiner").
7. Zur Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag bei künstlerisch Tätigen.
8. Zur Versicherungspflicht von Synchronsprechern.
9. Unständige Beschäftigungen zeichnen sich durch einen raschen Wechsel von Zeiten mit und ohne Beschäftigung aus und werden typischer-, aber nicht notwendigerweise bei ständig wechselnden Arbeitgebern ausgeübt. Typische Beispiele für unständig Beschäftigte finden sich im Bereich von Kultur und Medien.
10. Die Privilegierung unständiger Beschäftigungen setzt voraus, dass sie berufsmäßig ausgeübt werden (Vergleiche BSG vom 4.6.1998 - B 12 KR 5/97 R aaO). Berufsmäßigkeit liegt vor, wenn die Gesamtheit der unständigen Beschäftigungen den Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit bildet. Insofern ist eine auf das Kalenderjahr bezogene, retrospektive Betrachtung sachgerecht.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2012 und die Bescheide der Beklagten vom 8. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2009 geändert.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihrer für die Beigeladene zu 4) am 8. Februar 2008, für die Beigeladene zu 5) am 14. Februar 2008, 19. Februar 2008 und 1. April 2008 und für die Beigeladene zu 6) am 20. Februar 2008, 25. Februar 2008, 12. März 2008, 17. März 2008, 13. Mai 2008 und 26. Mai 2008 ausgeübten Tätigkeiten der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag und beitragsrechtlich als unständig Beschäftigte zu behandeln ist.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren tragen 3/5 die Beklagte und die Beigeladene zu 6) gesamtschuldnerisch und 2/5 die Beklagte allein. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren trägt die Beklagte. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt noch die Feststellung, dass sie an bestimmten Tagen des Jahres 2008 auf Grund ihrer Synchronsprechertätigkeit für die beigeladenen Produktionsfirmen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag. Darüber hinaus möchte sie beitragsrechtlich als unständig Beschäftigte eingestuft werden.
Auslöser dieses sowie zahlreicher weiterer Verfahren zwischen Synchronsprechern und Sozialversicherungsträgern ist das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der...