Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorverlegung des Rentenbeginns im Weg des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs

 

Orientierungssatz

1. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann die Stellung eines Rentenantrags im Weg des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden. Der hierzu erforderliche Beratungsfehler des Rentenversicherungsträgers setzt voraus, dass sich der Versicherte mit einem konkreten Beratungswunsch an diesen gewandt hat oder dieser von sich aus den Versicherten auf die Möglichkeit einer Rentenantragstellung hätte hinweisen müssen.

2. Aus den im Beitrittsgebiet bis zum 31. 12. 1991 gewährten berufsbezogenen Zuwendungen ergeben sich keine im Bundesgebiet über diesen Termin hinaus fortwirkende Ansprüche, mit der Folge, dass dem bundesdeutschen Versicherungsträger ein Beratungsfehler hinsichtlich eines zu stellenden Antrags auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente nicht unterstellt werden kann.

3. Die Beendigung berufsbezogener Zuwendungen im Rechtsgebiet der früheren DDR zum 31. 12. 1991 verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren

nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um einen früheren Beginn der der Klägerin ab 1. Dezember 2000 bewilligten Berufsunfähigkeitsrente.

Die 1947 geborene Klägerin absolvierte vom 31. August 1964 bis zum 30. Juni 1969 in der DDR eine Ausbildung als Bühnentänzerin. Vom 1. Mai 1969 bis zum 31. August 1980 war sie als Balletttänzerin beim staatlichen Tanzensemble der DDR beschäftigt. Weil sie in Folge der chronischen Überlastung der Füße durch das Tanzen an einem hallux rigidus beidseits litt, erhielt sie ab dem 7. April 1980 eine Unfallrente wegen Berufserkrankung in Höhe von anfänglich monatlich 80 Mark der DDR sowie ab September 1980 eine berufsbezogene Zuwendung in Höhe von 405 Mark der DDR monatlich. Im Zuge der Wiedervereinigung und in Folge der Änderung bzw. des Wegfalls der rechtlichen Grundlagen wurde die Zahlung der berufsbezogenen Zuwendung in D-Mark fortgeführt und mit Ablauf des Dezember 1991 eingestellt.

Im Dezember 1992 erhob die Klägerin im Hinblick auf die Einstellung der berufsbezogenen Zuwendungen Klage bei dem Sozialgericht Berlin (S 2 An 4022/92-W 94). Sie beantragte seinerzeit festzustellen, dass die in der DDR erworbene Anwartschaft auf die berufsbezogene Zuwendung nach Eintritt in das Rentenalter in Höhe von 60 % ihres letzten Gehalts weiter bestehe und dass die Zuwendung in dieser Höhe ab Eintritt in das Rentenalter zu zahlen sei, sowie festzustellen, dass die berufsbezogene Zuwendung in Höhe von 405 DM monatlich auch nach dem 31. Dezember 1991 unverändert weiterzuzahlen sei. Soweit die Klage sich gegen den Rentenversicherungsträger richtete, nahm die Klägerin die Klage im Februar 1995 zurück, weil eine außergerichtliche Grundsatzvereinbarung zwischen ihrem Prozessbevollmächtigten und der BfA getroffen worden sei. Im Hinblick auf das gegen das Tanzensemble der DDR und gegen das Land Berlin gerichtete Weiterzahlungsbegehren trennte das Sozialgericht das Verfahren ab und verwies es an das Arbeitsgericht Berlin.

Nachdem aus ihrer Sicht die bisherigen Musterverfahren im Hinblick auf die berufsbezogene Zuwendung keine angemessenen Ergebnisse erbracht hatten, beantragte die Klägerin am 1. Dezember 2000 bei der Beklagten unter Hinweis auf die bis 1991 bezogene berufsbezogene Zuwendung und ihre seit 1981 bestehende tänzerspezifische Berufsunfähigkeit, ihr ab dem 1. Januar 1992 eine Berufsunfähigkeitsrente zu bewilligen. Mit Rentenbescheid vom 19. November 2001 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen Berufsunfähigkeit mit Beginn am 1. Dezember 2000. Die Anspruchsvoraussetzungen sah die Beklagte ab dem 27. Januar 1980 als erfüllt an.

Mit ihrem hiergegen am 14. Dezember 2001 erhobenen Widerspruch begehrte die Klägerin, ihr auch Leistungen für die Zeit von Januar 1992 bis November 2000 zu gewähren. Es gehe ihr nicht um die Weiterzahlung der berufsbezogenen Zuwendung für Ballettmitglieder, sondern um einen Beginn der Berufsunfähigkeitsrente schon ab 1. Januar 1992. Sie hätte die Berufsunfähigkeitsrente sicher schon 1991 beantragt, wenn sie sich dieses Erfordernisses bewusst gewesen wäre. Immerhin habe sie versucht, die Weiterzahlung der berufsbezogenen Zuwendung als besondere Berufsunfähigkeit für Ballettmitglieder einzuklagen. Weder von der BfA noch vom Sozialgericht sei sie dahingehend beraten worden, aufgrund ihrer Berufserkrankung einen gesonderten Antrag auf Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrente zu stellen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2002 zurück. Das Begehren, eine Weiterzahlung der berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder über den 31. Dezember 1991 hinaus und damit eine Rentenzahlung vor dem 1. Dezember 2000 zu erhalten, sei unbegründet. Die berufs...

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