Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung der Unterkunftskosten durch Betriebskostenguthaben. Verfügbarkeit des Hilfebedürftigen. Direkte Erbringung der Unterkunftskosten an den Vermieter
Orientierungssatz
1. Nach § 22 Abs. 3 SGB 2 mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen. Hierzu zählt u. a. eine Betriebskostenabrechnung.
2. Entscheidend ist, ob die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch die Rückzahlung oder das Guthaben tatsächlich gemindert werden.
3. Dies gilt auch dann, wenn die Miete vom Grundsicherungsträger direkt an den Vermieter des Hilfebedürftigen überwiesen wird und der Grundsicherungsträger im Monat der Minderung um den Rückzahlungsbetrag nach § 22 Abs. 3 SGB 2 nur diesen geminderten Bedarf an den Vermieter zahlt.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1 S. 4, Abs. 3, 7 S. 1, Abs. 4 Fassung: 2013-05-13, § 7 Abs. 1 S. 1, §§ 7a, 11 Abs. 1, § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 19 Abs. 3 Sätze 2-3, § 20; Alg II-VO § 6 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 387
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Mai 2016 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 29. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Januar 2015 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01. bis zum 31. Juli 2014 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. 212,15 € zu bewilligen.
Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Juli 2014.
Die 1955 geborene, alleinstehende Klägerin wohnt seit Februar 2001 in einer 58 qm großen 2,5 Zimmer-Wohnung unter der im Rubrum angegebenen Adresse, für welche sie in der Zeit vom 01. Januar bis zum 30. April 2013 eine monatliche Gesamtmiete i.H.v. 391,81 € (198,42 € Grundmiete zzgl. Vorauszahlungen ≪VZ≫ für Betriebskosten i.H.v. 91,09 € sowie für Heizkosten i.H.v. 102,30 €) sowie vom 01. Mai 2013 bis zum 30. Juni 2015 i.H.v. 398, 42 € (198,42 € Grundmiete zzgl. VZ für Betriebskosten i.H.v. 95,00 € sowie für Heizkosten i.H.v. 105,00 €) schuldete. Aufgrund des Antrags der Klägerin vom 02. April 2008 wird die Miete vom Beklagten direkt an die Vermieterin - die Wohnungsbaugenossenschaft E e.G. - gezahlt. Die Klägerin bezieht eine Witwenrente, deren Auszahlungsbetrag sich ab dem 01. Juli 2013 auf 375,80 €, ab dem 01. Juli 2014 auf 385,08 €, ab dem 01. Januar 2015 auf 383,80 € und ab dem 01. Juli 2015 auf 393,30 € belief.
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 06. Mai 2014 (beim Beklagten eingegangen am folgenden Tag) an den Beklagten und teilte mit, dass in der diesjährigen Betriebskostenabrechnung, von welcher sie dem Beklagten noch eine Kopie zukommen lassen werde, ein Guthaben i.H.v. 212,15 € enthalten sei. Sie bitte um Abzug der 212,15 € von ihrem Konto erst im Juni 2014, da sie noch einige Abzahlungsverpflichtungen bedienen müsse. Mit Schreiben vom 08. Mai 2014 antwortete der Beklagte, eine Verrechnung des Guthabens mit der Leistung für Juni bzw. Juli 2014 sei selbstverständlich möglich, und bat um Übersendung der Abrechnung nebst einem Nachweis über den Zufluss des Guthabens (Kontoauszug). In der am 28. Mai 2014 beim Beklagten als Kopie eingegangenen Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013 vom 24. März 2014 hatte die Vermieterin ein Guthaben der Klägerin i.H.v. 212,15 € festgestellt und ausgeführt, dass das Guthaben im Falle des Bestehens von Forderungen aus dem Vertragsverhältnis mit den Forderungen verrechnet werde. Da die Klägerin aktuell nicht am Lastschriftverfahren teilnehme, werde um umgehende Mitteilung der Bankverbindung gebeten. Alternativ könne die Klägerin das Guthaben mit der nächsten Mietzahlung verrechnen.
Mit vorläufigem Bescheid vom 06. Juni 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01. Juli bis zum 31. Dezember 2014 Leistungen für den Monat Juli 2014 i.H.v. insgesamt 231,47 € (45,20 € Regelbedarf ≪RB≫ zzgl. 186,27 € Kosten für Unterkunft und Heizung ≪KdUH≫) sowie für August bis einschließlich Dezember 2014 i.H.v. monatlich insgesamt 422,95 € (45,20 € RB zzgl. 377,75 € KdUH). Sollte sich die Rente zum 01. Juli 2014 erhöhen, werde um umgehende Mitteilung gebeten. Vorerst werde die alte Rente berücksichtigt. Die Betriebskostenabrechnung 2013 habe ein Guthaben i.H.v. 212,15 € ergeben. Dieses Guthaben sei auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts anzurechnen und mindere die Kosten der Unterkunft im Folgemonat des Zuflusses. Da eine Auszahlung des Guthabens noch nicht erfolgt sei, werde dies mit der Mietzahlung für Juli 2014 verrechnet. Der Vermieter erhalte eine gesonderte Mitteilung. Mit Schreiben vom selben Tag unterrichtete der Beklagte die Vermieterin von seiner Absicht, das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung mit der nächsten Mietzahl...