Entscheidungsstichwort (Thema)
Normfeststellungsklage. Erstinstanzliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts. Klage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (unzulässig). Eigene rechtlich geschützte Belange (nicht ersichtlich). Ambulante Behandlung im Krankenhaus. Richtlinienbeschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses. Frage des so genannten Facharztfilters (Facharztvorbehalts. Kassenärztliche Bundesvereinigung
Leitsatz (amtlich)
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat im Rahmen einer Normfeststellungsklage keine Klagebefugnis, wenn sie sich gegen die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses wendet, bei deren Zustandekommen die Mitglieder der Kassenärztlichen Bundesvereinigung überstimmt worden sind. Insbesondere ergibt sich eine solche Klagebefugnis nicht aus § 75 Abs. 2 SGB V oder aus “Fraktionsrechten„.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Beschlüsse des Beklagten zu 1) vom 22. November 2007 zur Änderung der Richtlinie “Ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116 b SGB V„ (im Folgenden: die Richtlinie) betreffend die “Konkretisierung der Multiplen Sklerose in der Anlage 3„ und betreffend die “Konkretisierung der Tuberkulose und Umgruppierung aus Anlage 3 in Anlage 2 der Richtlinie„. Der Sache nach will die Klägerin erreichen, dass der ambulanten Krankenhausbehandlung eines Patienten bei diesen Erkrankungen die gesicherte Diagnose und die Überweisung durch einen niedergelassenen Facharzt vorausgehen (“Facharztfilter„).
Am 22. November 2007 traf der Beklagte zu 1) auf der Grundlage von § 116 b Abs. 4 SGB V die o.g. Beschlüsse, die das Nähere über die ambulante Krankenhausbehandlung von Patienten mit Multipler Sklerose bzw. Tuberkulose regeln. Zur Beschlussfassung beantragten die dem Beklagten zu 1) angehörenden Vertreter der Klägerin:
- “Die Versorgung in einem nach § 116 b Abs. 2 SGB V berechtigten Krankenhaus für die Leistungen nach § 116 b Nr. 2 Satz 1 Nr. 2 (Diagnostik und Versorgung von Patienten mit Tuberkulose / Diagnostik und Versorgung von Patienten mit Multipler Sklerose) setzt eine Überweisung durch den Facharzt voraus.„
- “Außerdem ist zu fordern, dass die Überweisung durch den Facharzt eine gesicherte Diagnostik für die entsprechenden Krankheiten voraussetzt, d.h. dass zum Zwecke der Diagnosesicherheit das Zusatzkennzeichen “G„ (für “gesicherte Diagnose„, vgl. ICD-10-GM/Version 2008/Systematisches Verzeichnis/Internationale statistische Qualifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision - German Modification), zu verwenden ist.„
Die Mehrheit der Mitglieder des Beklagten zu 1) überstimmte in der Beschlussfassung diesbezüglich die Vertreter der Klägerin.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2008 forderte die Klägerin den Beklagten zu 2) auf, im Rahmen des Prüfungsverfahrens nach § 94 Abs. 1 SGB V die Beschlüsse in den genannten Punkten als gesetzeswidrig zu beanstanden. Die Einbeziehung eines Facharztes in die Überweisung und das Vorhandensein einer gesicherten Diagnose seien aus Rechtsgründen unabdingbar für die ambulante Krankenhausbehandlung eines Patienten. Diesen Antrag ließ der Beklagte zu 2) unbeantwortet. Mit Schreiben vom 10. März 2008 teilte er dem Beklagten zu 1) vielmehr mit, dass die betreffenden Richtlinienbeschlüsse nicht beanstandet würden. Der Beklagte zu 1) veranlasste daraufhin die Bekanntmachung der Beschlüsse im Bundesanzeiger vom 2. April 2008, Seiten 1172 f., so dass sie am 3. April 2008 in Kraft traten.
Am 22. April 2008 hat die Klägerin Klage bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Die Klage sei zulässig. Die Richtlinienbeschlüsse hätten die Rechtswirkung der Bundesmantelverträge und seien damit für die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Kassenärztlichen Vereinigungen und für die teilnehmenden Vertragsärzte bindend. Die Verbindlichkeit der Beschlüsse für die Klägerin als eine der Trägerorganisationen des Beklagten zu 1) folge aus § 91 Abs. 6 SGB V. Die Klägerin und ihre Mitglieder hätten Anspruch darauf, dass die untergesetzlichen Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses gesetzeskonform und in Übereinstimmung mit der vom Bundesgesundheitsministerium genehmigten Verfahrensordnung ergingen. Die Trägerorganisationen des Beklagten zu 1) hätten als Normadressaten auch das Recht, den Beschluss auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Dies folge aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und der Weisungsungebundenheit der Mitglieder des Beklagten zu 1). Die Nichtbeanstandung durch den Beklagten zu 2) führe insbesondere nicht zur Unzulässigkeit einer gerichtlichen Überprüfung. Sie stelle einen Teilakt zum Wirksamwerden der Richtlinie dar, womit auch die Klage gegen den Beklagten zu 2) zulässig sei. Begründet sei die Klage, weil die angegriffenen...