Entscheidungsstichwort (Thema)
Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Augenleiden. Keratokonus. Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. herrschende medizinische Lehrmeinung. Kann-Versorgung. Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft
Orientierungssatz
1. Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Anerkennung eines Augenleidens (hier: Keratokonus) als Folge einer Wehrdienstbeschädigung, wenn weder die körperlichen Belastungen während des Wehrdienstes noch eine angebliche Mangel- bzw Fehlernährung oder die Kontaktlinsenanpassung im Rahmen der truppenärztlichen Betreuung mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit die Ursache für das Entstehen bzw die Verschlimmerung des Augenleidens des Klägers bildeten.
2. Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft iS des § 81 Abs 6 S 2 SVG.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) wegen eines Augenleidens.
Der im Jahre 1969 geborene Kläger trat Anfang Juli 1991 als Offiziersanwärter in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit bei der Bundeswehr ein, nachdem er aufgrund der ärztlichen Annahmeuntersuchung am 7. März 1991 für wehrdienstfähig befunden wurde. Bei der Einstellungsuntersuchung am 3. Juli 1991 stellte der ärztliche Dienst einen Visus von beidseits 100 % fest.
Im Juni 1994 trat bei dem Kläger plötzlich eine beidseitige Visusverschlechterung auf. In der Klinik für Augenheilkunde der Universität L wurde laut Schreiben vom 24. Juni 1994 ein beidseitiger Keratokonus (eine kegelförmige Vorwölbung der Hornhaut mit Verdünnung einzelner Hornhautschichten) diagnostiziert. Daraufhin wurden dem Kläger Kontaktlinsen angepasst. Wegen der sich weiter verschlechternden Sehschärfe schied der Kläger im Juni 1997 aus der Bundeswehr aus.
Der Beklagte lehnte durch Bescheid vom 25. Mai 1999 den Antrag des Klägers auf Versorgung nach dem SVG mit der Begründung ab, es läge keine Wehrdienstbeschädigung vor, da es sich bei der Schädigung der Augen um eine anlagebedingte Gesundheitsstörung handele. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und reichte ein Privatgutachten des PD Dr. K vom 27. August 1997 ein, der die Hornhautveränderungen auf zu flach gewählte Kontaktlinsenanpassungen zurückführte. Im Widerspruchsverfahren holte der Beklagte ein augenärztliches Fachgutachten von Prof. Dr. A aus der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde der Ch ein, der u.a. ausführte: Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft sei ein Zusammenhang zwischen der Wehrdiensttätigkeit des Klägers und der Manifestation eines Keratokonus nicht gegeben. Denn die Ätiologie (Ursache) des Keratokonus sei in der medizinischen Literatur unklar. Meistens sei eine Vererbung nicht nachweisbar. Insbesondere könnten bis zum heutigen Tage keine äußeren Ereignisse wie Traumata oder Infektionen als Ursache für den Keratokonus nachgewiesen werden. Soweit einige Ophtalmologen glaubten, dass Kontaktlinsen zu einer Verschlimmerung des Keratokonus beitragen könnten, sei dies nicht wissenschaftlich erwiesen. Zudem könne nicht davon ausgegangen werden, dass die bei dem Kläger vorgenommenen Kontaktlinsenanpassungen nicht ordnungsgemäß gewesen seien. Der Beklagte schloss sich dem Gutachten an und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2000 zurück.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht, dass der Keratokonus durch die Wehrdienstverrichtungen verursacht, zumindest aber verschlimmert worden sei. Während seiner Dienstzeit, insbesondere bei seiner Einzelkämpferausbildung, sei er starken Belastungen ausgesetzt gewesen. Auch habe der Umstand, dass er erst im Jahre 1997 entlassen worden sei und bis zu diesem Zeitpunkt Kontaktlinsen habe tragen müssen, zu erheblichen Komplikationen geführt. Die Kontaktlinsen seien unzutreffend dimensioniert gewesen. Hierzu hat er ein ergänzendes Schreiben des PD Dr. K vom 27. Juli 2000 und eine Stellungnahme der Optometristin W vom 7. Juli 1997 eingereicht. Ferner hat er geltend gemacht, dass es bei den Einsätzen zu einer Mangel- bzw. Fehlernährung gekommen sei, die sein Leiden verschlimmert habe.
Daraufhin hat das Sozialgericht ein augenärztliches Gutachten des Prof. Dr. B aus der Abteilung Augenheilkunde der Sch Klinik in B vom 1. Juli 2002 eingeholt, der zudem in der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2003 als Sachverständiger vernommen worden ist. Prof. Dr. B hat dargelegt, dass der Keratokonus grundsätzlich genetische und metabolische (stoffwechselbedingte) Ursachen der Hornhaut habe. Dieses Leiden könne aber auch sporadisch und im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen wie dem Down-Syndrom auftreten. Anhaltspunkte dafür, dass körperliche Belastung, eine Mangel- oder Fehlernährung oder eine Kontaktlinsenanpassung die Entstehung oder die Verschlimmerung des Keratokonus verursachten, seien in der Wissenschaft nicht belegt.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 10. März 2003 als unbegründet abgewiesen. Zur Be...