Entscheidungsstichwort (Thema)
Soldatenversorgung: Ausgleich für Wehrdienstbeschädigung. truppenärztliche Behandlung als Wehrdienstbeschädigung. Voraussetzung eines Anspruchs auf Erteilung einer Zustimmung zur Anerkennung der Wehrdienstbeschädigung bei unklarer Ursache. Keratokonus mit Visusminderung. Hornhauttransplantation. Kontaktlinsen. Ursächlicher Zusammenhang. Unterlassen ärztlicher Maßnahmen. Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse. Beweisantrag
Orientierungssatz
1. Eine Wehrdienstbeschädigung kann auch durch eine truppenärztliche Handlung oder Unterlassung als Ausprägung wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG eintreten, die zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führt, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt (Anschluss, BSG, Urteil vom 25. März 2004, Az.: B 9 VS 1/02 R). Allerdings ist von einer ausgleichspflichtigen Schädigung aufgrund wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse nur dann auszugehen, wenn die Schädigung bei freier Arztwahl hätten vermieden werden können, demnach ein anderer Arzt mit anderen verfügbaren Behandlungsmethoden wahrscheinlich einen besseren Behandlungserfolg erzielt hätte. Dies gilt nicht für Behandlungsmethoden, die nicht tatsächlich alternativ zur Verfügung stehen (hier: Hornhauttransplantation als Ultima ratio zur Korrektur einer Keratokonuserkrankung).
2. Soweit eine Korrektur der durch eine Erkrankung verminderten Sehschärfe (hier: Keratokonuserkrankung) durch Kontaktlinsen keine nachteiligen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand haben kann, kommt auch die Annahme einer Wehrdienstbeschädigung durch die truppenärztliche Verordnung von Kontaktlinsen als Hilfsmittel zur Sehschärfenkorrektur nicht in Betracht.
3. Fehlt von Beginn an die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einer Erkrankung (hier: Keratokonuserkrankung) und eines im Rahmen des Wehrdienstes begründeten Ereignisses, so kommt auch die Erteilung einer Zusage zur Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung bei unklarer Krankheitsursache gemäß § 81 SVG nicht in Betracht.
Normenkette
SVG § 85 Abs. 1, § 81 Abs. 6; BVG § 30 Abs. 1, § 31
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. August 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Ausgleich nach § 85 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG).
Der 1969 geborene Kläger war bis Juni 1990 Soldat bei der Nationalen Volksarmee, von Januar bis Juni 1991 vorübergehend als Schlosser beschäftigt und trat zum 1. Juli 1991 als Offiziersanwärter in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit bei der Bundeswehr ein. Seine Ausbildung zum Offizier absolvierte er vom 1. Juli 1991 bis zum 2. Dezember 1993 im Feldjägerbataillon. Vom 3. Dezember 1993 bis zum 1. Oktober 1994 sowie vom 22. Mai 1996 bis zum 30. Juni 1997 gehörte er dem 2./Feldjägerbataillon an. Vom 2. Oktober 1994 bis zum 14. Januar 1996 studierte er an der Universität der Bundeswehr in H, vom 15. Januar 1996 bis zum 30. Juni 1996 gehörte er dem 6./Feldjägerbataillon an. Vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1997 war der Kläger als Leutnant als Feldjägeroffizier und Zugführeroffizier in der 2. Kompanie des Feldjägerbataillons in L eingesetzt.
Am 3. Juli 1991 stellte der Truppenarzt des Feldjägerbataillons bei der Einstellungsuntersuchung bei dem Kläger einen Visus links wie rechts von 1,0 fest. Er wurde dem Tauglichkeitsgrad T 2 zugeordnet. Im Vorfeld einer Ausbildung zum Einzelkämpfer in A vom 15. Juni bis zum 23. Juli 1993 wurde der Kläger am 3. Juni 1993 für einzelkämpfertauglich befunden.
Am 20. Juni 1994 stellte sich der Kläger beim Truppenarzt wegen einer plötzlichen Sehverschlechterung beidseits vor. Der Visus betrug rechts 0,1 und links 0,3. Laut Vermerk des Truppenarztes bestanden bei sonst unauffälligem Befund von Gesichtsfeld und Netzhaut ein unregelmäßiger Astigmatismus und eine leichte Hornhautunregelmäßigkeit. Der Truppenarzt erbat eine internistische Durchuntersuchung insbesondere auch im Hinblick auf eine Stoffwechsel- oder Glucosestörung oder einen juvenilen Diabetes. In der Abteilung Innere Medizin des Bundeswehrkrankenhauses L wurde am 21. Juni 1994 ein Befund erhoben, der “gerade eben einer gestörten Glukosetoleranz„ entspreche. Am 23. Juni 1994 wurde bei dem Kläger in der Klinik für Augenheilkunde der Universität L ein Visus von rechts 0,3 und links 0,5 festgestellt. Bestätigt wurde die Diagnose eines beidseitigen Keratokonus; der beidseits schlechte Visus sei durch die Hornhautveränderungen ausreichend erklärt. Ein Anhalt für das Bestehen einer Optikus- oder Netzhauterkrankung sei derzeitig nicht gefunden worden. Im Juni oder Juli 1994 wurde der Kläger erstmals mit Kontaktlinsen versorgt. Am 9. September 1994 wurde in der Klinik für Augenheilkunde der Universität L ein ausreichend guter Sitz der Kontaktlinsen bei einem Visus rechts von 1,0 und links von 0,8 - jeweils mit Kontaktlinsen - festgestellt....