Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfügung durch Unterlassen. Verfügungsberechtigung. Außenvollmacht. Innenvollmacht. Kontovollmacht
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Regelung des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI beinhaltet als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Gutgläubigkeit des Geldinstitutes, so dass es, wenn es bei Ausführung eines Zahlungsauftrages zu Lasten des Kontos vom Tod eines Rentenempfängers Kenntnis hatte, sich gegenüber dem Rücküberweisungsverlangen des Rentenversicherungsträgers nicht auf den anspruchsvernichtenden Einwand anderweitiger Verfügungen berufen kann.
2. Verfügende sind die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben, was mehr als nur die Verfügungsberechtigung über das Konto voraussetzt, denn der Verfügende muss dem Geldinstitut gegenüber wirksam zu Lasten des Kontos verfügt, also Rechtsgeschäfte vorgenommen haben, die unmittelbar darauf gerichtet waren, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben; in Betracht kommt insofern jeder berechtigte Dritte, jedoch auch der Rentner vor seinem Ableben und der Kontoinhaber, der den Kontostand unter einen der überzahlten Rentenleistung entsprechenden Betrag gesenkt hat, sodass im Zeitpunkt der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers kein ausreichendes Guthaben vorhanden war.
3. Die Regelung des § 118 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 Alt. 2 SGB VI setzt mehr als die bloße Verfügungsvollmacht über das Konto voraus; das Zulassen eines banküblichen Geschäfts erfordert ein pflichtwidriges Unterlassen, d.h. durch vorwerfbar unterlassene Handlungen, wie z.B. die Kontosperrung oder andere gebotene Handlungen, durch die Verfügungen Dritter über das Konto verhindert werden können.
Normenkette
SGB VI § 118 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1; BGB § 170
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2016 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung über den Sterbemonat hinaus gezahlter Rentenbeträge.
Die 1929 geborene G C (Versicherte) bezog von der Beklagten eine Altersrente mit einem Zahlbetrag von zuletzt 1.117,65 Euro, die monatlich im Voraus auf ihr Konto bei der D Bank überwiesen wurde.
Die Klägerin lernte die Versicherte nach eigenen Angaben im Rahmen ihrer Tätigkeit als Pflegekraft kennen. Nach Ende des Pflegeverhältnisses trat die Versicherte an die Klägerin mit der Bitte heran, für sie bei Bedarf Geld bei der D Bank abzuheben und ihr dieses zu überbringen, da sie selbst hierzu gesundheitlich nicht mehr in der Lage sei und ihre Bekannte, die dies bisher für sie erledigt habe, auf Grund der Folgen eines Unfalls dies nicht mehr für sie übernehmen könne. Die Klägerin erklärte sich hierzu unentgeltlich bereit. Die Versicherte teilte daraufhin der D Bank telefonisch mit, die Klägerin sei von ihr bevollmächtigt, einen von ihr bestimmten Geldbetrag in Empfang zu nehmen und ihr zu überbringen. Die Klägerin holte sodann den angekündigten Betrag bei der D Bank ab und übergab ihn der Versicherten.
Nachdem dies ein weiteres Mal erfolgt war, verlangte die D Bank für weitere Abhebungen die Erteilung einer Vollmacht. Es fand dann nach Angaben der Klägerin ein Gespräch in der Wohnung der Versicherten mit einem Vertreter der D Bank statt, in dessen Rahmen der Klägerin im November 2007 eine schriftliche Vollmacht für das Konto der Versicherten erteilt wurde. Dem hierfür verwendeten Vordruck der D Bank zufolge berechtigte die Vollmacht gegenüber der D Bank zur Vornahme der Geschäfte, die mit der Konto- und Depotführung im Zusammenhang stehen. Sie berechtigte auch zur Auflösung einzelner Konten und Depots. Zur Auflösung der gesamten Kontoverbindung war der Bevollmächtigte erst nach dem Tode des Kontoinhabers berechtigt. Die Vollmacht erlosch nicht mit dem Tode des Kontoinhabers, sondern blieb für die Erben des Kontoinhabers in Kraft. In der Folgezeit holte die Klägerin weiterhin nach Aufforderung im Einzelfall gelegentlich Kontoauszüge sowie von der Versicherten der Höhe nach bestimmte Geldbeträge bei der D Bank ab und übergab sie der Versicherten.
2008 verstarb die Versicherte G C. Da die Rentenzahlung erst zum März 2009 eingestellt werden konnte, kam es zu einer Überzahlung für Januar und Februar 2009 in Höhe von insgesamt 2.194,97 Euro.
Auf das von der Beklagten in dieser Höhe gegen die D Bank geltend gemachte Rückforderungsverlangen erstattete diese einen Betrag in Höhe von 784,64 Euro. Die D Bank führte aus, ein Anspruch auf eine darüber hinaus gehende Erstattung bestehe angesichts des Kontostandes zum Zeitpunkt des Renteneingangs am 30. Dezember 2008 in Höhe von minus 25,39 Euro und zum Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung am 17. Februar 2009 in Höhe von 704,61 Euro sowie d...