Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht durch das Landessozialgericht

 

Orientierungssatz

1. Das Landessozialgericht kann nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

2. Hat der Kläger den Gegenstand seines Klagebegehrens mit der Klageschrift hinreichend konkretisiert, indem er den Verwaltungsakt bezeichnet hat, den das Gericht aufheben oder zu dem das Gericht verurteilen soll, so bleibt kein Raum für das Setzen einer Ausschlussfrist nach § 92 Abs. 2 S. 2 SGG.

3. Sind bislang im gerichtlichen Verfahren noch keinerlei medizinische Ermittlungen angestellt worden und sind die noch anzustellenden von gewissem Umfang, so kann das Landessozialgericht im Wege des ihm nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG eingeräumten Ermessens den Rechtstreit zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen und zur Sachentscheidung an das Sozialgericht zurückverweisen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2014 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht Berlin.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “G„ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).

Zugunsten des 1946 geborenen Klägers hatte der Beklagte von Amts wegen mit Bescheid vom 25. März 2011 einen GdB von 90 festgestellt unter Zugrundelegung folgender Funktionsbeeinträchtigungen:

a) Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannte Schädigungsfolgen (Einzel-GdB: 10),

b) Diabetes mellitus (Einzel-GdB: 50),

c) seelische Störung (darin enthalten a) (Einzel-GdB: 40),

d) Sehminderung; eingepflanzte Kunstlinse; grüner Star (Glaukom) (Einzel-GdB: 40),

e) Hirnschädigung mit Gangstörung (Einzel-GdB: 30).

Gesundheitliche Merkmale hatte der Beklagte in dem Bescheid ausdrücklich nicht festgestellt.

Einen Neufeststellungsantrag des Klägers vom 24. Mai 2011 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2011 ab und stellte fest, dass bei dem Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen “G„, “B„ (Berechtigung für eine ständige Begleitung) und “aG„ (außergewöhnliche Gehbehinderung) nicht vorliegen.

Am 11. September 2012 stellte der Kläger formlos einen “Antrag auf Feststellung gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB„. Am 16. Oktober 2012 stellte er auf dem dafür vorgesehenen Vordruck des Beklagten einen Antrag auf Feststellung des GdB sowie auf Neufeststellung wegen Verschlimmerung bestehender Behinderungen und Hinzutreten neuer Behinderungen. Er kreuzte hierbei an, dass seiner Meinung nach die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen “G„, “aG„ und “RF„ (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) vorlägen.

Der Beklagte holte Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte ein und zog weitere medizinische Unterlagen bei. Auf der Grundlage versorgungsärztlicher Stellungnahmen der Fachärztin für Innere Medizin Rund des Facharztes für Augenheilkunde B vom 26. Juli 2013 teilte er dem Kläger mit Bescheid vom 31. Juli 2013 mit, dass eine Neufeststellung nach dem Schwerbehindertenrecht nicht getroffen werden könne, weil eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht eingetreten sei. Die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen “G„, “aG„ und “RF„ lägen bei dem Kläger nicht vor.

Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin am 29. Dezember 2013 Klage erhoben und den Bescheid dem nachgereichten Original der Klageschrift beigefügt. Er hat die Verletzung seiner Menschenwürde, seines Persönlichkeitsrechts, des Gleichheitsgrundsatzes und von Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) gerügt und unter anderem ausgeführt, der Beklagte verkenne den Charakter der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsstaat. Der Bescheid sei mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlich rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar. Er sei unter den genannten Gesichtspunkten abzuändern. Die Klageschrift enthielt darüber hinaus umfangreiche - allgemein gehaltene - verfassungsrechtliche Ausführungen.

Den vor Klageerhebung eingelegten Widerspruch des Klägers, mit dem er ebenfalls Verfassungsverstöße und Menschenrechtsverletzungen geltend machte, und der darüber hinaus allgemein gehaltene Ausführungen zur Möglichkeit der unentgeltlichen oder ermäßigten Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, zum “Merkzeichen 1. Kl„ sowie zur Mitnahme einer Begleitperson enthielt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2014 zurück. Er ging hierbei davon aus, dass der Kläger die Feststellung eines höheren GdB sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen “B„, “G„ und “1. Klasse„ begehrt. Insbe...

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