Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkretisierung eines nicht hinreichend bestimmten Sanktionsbescheides durch Widerspruchsbescheid. Absenkung des Arbeitslosengeld II. Verweigerung Arbeitsaufnahme. Unzumutbarkeit des Arbeitsangebots. Gefährdung der Kindeserziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Mangel der hinreichenden Bestimmtheit eines Sanktionsbescheides kann durch dessen Konkretisierung im Widerspruchsbescheid mit Rückwirkung geheilt werden.
2. Stellt ein Arbeitsangebot nicht von vornherein offensichtlich eine Gefährdung der Kindeserziehung dar, kann dessen Unzumutbarkeit nur dann angenommen werden, wenn hierfür konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Dies setzt regelmäßig eine Kontaktaufnahme des Hilfebedürftigen mit dem Arbeitgeber voraus.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides.
Der 1969 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben nach Abbruch eines Studiums lange Zeit als Fernsehredakteur gearbeitet. Seit Anfang 2005 bezieht er vom Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Seit Mai 2005 lebt in seinem Haushalt auch sein im Dezember 2003 geborener Sohn, der seit Oktober 2005 eine Kita besucht.
Mit Bescheid vom 29. März 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 7. April 2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger und dessen Sohn Leistungen für September und Oktober 2006 in Höhe von monatlich 966,00 Euro, wobei er dem Kläger den Regelsatz von 345,00 Euro gewährte. Am 6. Juli 2006 überreichte der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten dem Kläger im Rahmen eines - laut Angaben des Klägers in der Klageschrift “ausführlichen„ - Beratungsgespräches zwei Vermittlungsvorschläge, darunter einen für eine Vollzeittätigkeit bei der Z K gGmbH. Nach Angaben des Klägers wurde laut Stellenbeschreibung ein Erzieher zur Anleitung anderer ABM-Helfer mit viel Erfahrung in sozialen und organisatorischen Bereichen sowie in der Betreuung an Grundschulen gesucht. Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit. Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger nicht.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2006 hörte der Beklagte den Kläger wegen des nicht zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses an. Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2006 mit, dass er den Vermittlungsvorschlag in seinen Unterlagen abgelegt und dort vergessen habe.
Am 26. Juli 2006 erließ der Beklagte einen Bescheid zur Absenkung des Arbeitslosengeldes II gemäß § 31 SGB II. Darin hieß es wörtlich: “Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird unter Wegfall des eventuell zustehenden Zuschlages nach § 24 SGB II für die Zeit vom 1. September 2006 bis 30. November 2006 monatlich um 30 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus ergibt sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104,00 Euro monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit ab dem 1. September 2006 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben.„ Zur Begründung hieß es, dass der Kläger die ihm am 6. Juli 2006 angebotene, zumutbare Arbeit als Erzieher bei der Firma Z K gGmbH trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht angenommen habe, indem er sich nicht beworben habe.
Am 17. August 2006 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Der Sanktionsbescheid sei rechtswidrig. Er habe sich nicht geweigert, sich bei dem Arbeitgeber vorzustellen, sondern dies lediglich versäumt. Er bemühe sich sehr stark, eine Stelle zu finden und entfalte umfangreiche Eigenbemühungen. Die Verhängung einer Sanktion sei unverhältnismäßig. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die angebotene Stelle für ihn auch vollkommen ungeeignet gewesen sei. Er sei kein Erzieher und habe auch keine große Erfahrung im sozialen Bereich oder in der Arbeit an Grundschulen.
Durch Änderungsbescheid vom 21. August 2006 setzte der Beklagte mit der Begründung, dass eine Energiepauschale abzuziehen sei, die Leistungen für Oktober 2006 neu fest und bewilligte nun nur noch 841,40 Euro. Dem beigefügten Berechnungsbogen ließ sich entnehmen, dass außerdem ein Minderungsbetrag von 104,00 Euro wegen einer eingetretenen Sanktion in Abzug gebracht worden war.
Unter dem 24. August 2006 hörte der Beklagte den Kläger wegen einer weiteren Sanktion an, nachdem auch der Arbeitgeber der zweiten am 6. Juli 2006 vorgeschlagenen Arbeitsstelle angezeigt hatte, dass eine Bewerbung nicht erfolgt sei. In seiner Stellungnahme vom 15. September 2006 räumte der Kläger ein, dass er versehentlich auch diesen Vermittlungsvorschlag nicht beachtet habe. Allerdings habe er inzwischen eine Tätigkeit mit...