Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragszuschlag für kinderlose Versicherte in der sozialen Pflegeversicherung

 

Orientierungssatz

1. Beiträge zur Pflegeversicherung, die der Versicherungspflichtige aus seiner Rente zu tragen hat, sind vom Träger der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und abzuführen. Der Versicherte ist auch verpflichtet, die Beiträge zur Pflegeversicherung allein zu tragen.

2. Die Regelung des § 55 Abs. 3 S. 7 SGB 11, welche die Erhebung eines Beitragszuschlags für Kinderlose vorschreibt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der Vorteil kinderloser Versicherter in der sozialen Pflegeversicherung beitragsrechtlich zu kompensieren.

3. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber bei der Regelung des § 55 Abs. 3 SGB 11 berücksichtigt hat, dass von den vor dem 1. 1. 1940 geborenen Versicherten noch überwiegend Kinder geboren wurden und deshalb auch die kinderlosen Versicherten dieser Jahrgänge nicht zu einem finanziellen Beitrag zur Entlastung der Versicherten mit Kindern herangezogen werden.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, einen Beitragszuschlag für kinderlose Versicherte für die soziale Pflegeversicherung zu erheben.

Die Klägerin ist die Witwe des 1946 geborenen und 2006 verstorbenen Versicherten D K. Dem kinderlosen Versicherten wurde mit Bescheid vom 26. Januar 1994 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01. Januar 1992 gewährt.

Ab 01. Juli 1996 wurden von dem festgestellten Rentenhöchstwert Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von 13,40 % (92,79 DM) und für die Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 v. H. (11,77 DM) abgezogen.

Mit Schreiben vom 03. Januar 2005 teilte die Beklagte dem Versicherten mit, dass sich der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,25 Beitragssatzpunkte (Beitragszuschlag für Kinderlose) erhöhe. Dieser Beitragszuschlag sei ab 01. Januar 2005 zu erheben und werde aus der Rente für den Monat April 2005 für die rückwirkenden Rentenbezugszeiten erhoben werden. Es wurde angekündigt, dass der Kläger voraussichtlich im März 2005 einen neuen Rentenbescheid erhalten werde.

Der Versicherte machte über seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 04. Februar 2005 geltend, dass die erhöhte Beitragsbelastung zur Pflegeversicherung für Kinderlose verfassungswidrig sei.

Mit Bescheid vom 08. Februar 2005 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers beginnend ab 01. April 2005 neu. Sie machte für die Zeit ab 01. Januar 2005 einen erhöhten Beitragssatz zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,95 % (16,16 €) aus 828,84 € geltend. Die Beklagte gewährte für die Zeit ab 01. Januar 2005 eine entsprechend geringere (Netto-)Rente.

Mit seinem Widerspruch vom 12. März 2005 machte der Versicherte geltend, die Neuregelung der Beitragspflicht zur gesetzlichen Pflegeversicherung verstoße gegen höherrangiges Recht. Der Gesetzgeber habe die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung nicht unabhängig davon erhöhen dürfen, ob die Kinder ihrerseits Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung gezahlt hätten.

Die Beklagte wies mit Bescheid vom 08. Juni 2005 den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die Einführung des Beitragszuschlages für Kinderlose ergebe sich aus dem Gesetz zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung vom 15. Dezember 2004. Von der Zahlung des Beitragszuschlages seien Rentner nur dann befreit, wenn sie entweder vor dem 01. Januar 1940 geboren seien oder wenn sie gegenüber dem Rentenversicherungsträger das Vorliegen von Elterneigenschaft nachweisen könnten. Ein solcher Nachweis sei nicht erbracht worden.

Mit der daraufhin am 01. Juli 2005 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Versicherte sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, der Nachweis der Elterneigenschaft könne deshalb nicht erbracht werden, weil er ungewollt kinderlos geblieben sei. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz - GG - vor, weil sich eine willkürliche Ungleichbehandlung zu Versicherten ergebe, die leibliche Kinder hätten, die jedoch entweder vorverstorben, krank oder ausgewandert seien. Das Bundesverfassungsgericht - BVerfG - habe nicht entschieden, dass kinderlose Versicherte grundsätzlich schlechter zu stellen seien als Eltern. Eine geeignete Regelung könne nur anerkannt werden, wenn nicht auf die Elterneigenschaft schlechthin abgestellt werde. Die Regelung diskriminiere die Gruppe der ungewollt kinderlos gebliebenen Versicherten.

Die Beklagte ist erstinstanzlich bei der mit dem Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung verblieben.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. Oktober 2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe die Rente ...

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