Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung der Studenten. Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung. Werkstudentenprivileg. Praktikum während Studium. Gleichbehandlungsgrundsatz. Versicherungsfreiheit. Verfassungsmäßigkeit. hochschulrechtliche Vorgabe. obligatorische Studienabschlussvoraussetzung. Tatbestandswirkung
Leitsatz (amtlich)
1. Ob Versicherungsfreiheit - hier aufgrund des sog. Werkstudentenprivilegs - rechtlich einen Vor- oder Nachteil darstellt, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht allein deshalb eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darstellen.
2. Wird ein hochschulrechtlich vorgesehenes Praktikum durch die Hochschule als Voraussetzung eines Studienabschlusses anerkannt, kommt dieser Entscheidung sozialversicherungsrechtlich Tatbestandswirkung zu.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. September 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin während ihres Studiums.
Die 1974 geborene Klägerin trat mit 17 Jahren in das Erwerbsleben ein, war danach etliche Jahre als Sportlerin in der Handball-Bundesliga aktiv und erlangte im Juni 2009 die Fachhochschulreife. Im Rahmen ihres bis zum 31. Dezember 2010 bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Deutschen Rentenversicherung Bund wurde ihr ab dem 23. Juni 2008 Sonderurlaub ohne Bezüge gewährt. In der Zeit vom 1. April 2008 bis 31. März 2013 absolvierte sie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) ein (Vollzeit-/Tages-)Studium im Studiengang “B.A. Business Administration / Bachelor„. Vom 1. April 2013 bis zum 30. September 2014 absolvierte sie den (regelmäßig drei Semester umfassenden) Studiengang “Finance, Accounting, Corporate Law and Taxation (Master) in Vollzeitform„ an derselben Hochschule.
In der Zeit vom 10. November 2009 bis zum 14. Februar 2012 war sie bei der P GmbH (Beigeladene zu 1) als “studentische Aushilfe„ beschäftigt. Die diesbezügliche Rahmenvereinbarung sah keine Beschäftigungspflicht dieser GmbH, aber auch keine Pflicht der Klägerin, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen, vor. Vielmehr sollte bei einem Arbeitseinsatz der Klägerin ein sogenanntes “Ein-Tages-Anstellungsverhältnis„ vereinbart werden. Die wöchentliche Arbeitszeit durfte 20 Stunden während der Vorlesungszeit nicht überschreiten. Aufgrund dessen war die Klägerin bis zum Juli 2011 - danach erfolgten keine Einsätze mehr - in einem monatlichen Umfang zwischen 22,72 und 135,62 Stunden für diese GmbH tätig und erzielte hieraus sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelte zwischen 161,35 Euro und 1.219,45 Euro brutto monatlich.
Zwischen dem 1. September 2011 und dem 31. Januar 2012 absolvierte die Klägerin ein Praktikum bei der B GmbH (Beigeladene zu 5). Der zugrunde liegende “Praktikantenvertrag„ vom 4./22. Februar 2011, auf dem in der Nähe der Unterschriften der Vertragsparteien auch ein Stempel der HWR Berlin nebst Unterschrift aufgebracht ist, sah bei einer regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit eine Aufwandsentschädigung von 600 Euro brutto monatlich vor. Vom 15. Februar 2012 bis zum 30. September 2014 war sie bei dieser Arbeitgeberin als Werkstudentin mit einem Beschäftigungsgrad von 50 % der tariflichen Arbeitszeit beschäftigt.
Mit Bescheid vom 3. November 2009, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2010, lehnte die Beklagte den Antrag auf Aufnahme in die studentische Pflichtversicherung ab, weil die Klägerin das 30. Lebensjahr bereits überschritten habe und vor dessen Vollendung noch nicht studentisch versichert gewesen sei. Während des Widerspruchverfahrens setzte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 die Beiträge der Klägerin zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 24. Juni 2009 fest.
Im Klageverfahren begehrte die Klägerin zunächst die Verurteilung der Beklagten, sie ab dem 1. Oktober 2009 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) studentisch zu versichern, hilfsweise der Bemessung der freiwilligen Beiträge ihr tatsächliches Einkommen zugrunde zu legen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht beantragte die Klägerin demgegenüber nur noch die Feststellung, dass sie seit dem 1. Oktober 2009 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 6. September 2012 die Klage abgewiesen, weil die Klägerin die in § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V genannte Altersgrenze überschritten habe und Ausnahmegründe weder geltend gemacht noch anderweitig ersichtlich seien. Die Altersbeschränkung verstoße nicht gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG und das zu ihrer Umsetzung ergangene allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die Klägerin sei auch nicht infolge ihrer Beschäftigung für die Beigeladene zu 1) oder für die Zeit ihres Praktikums nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V pflichtversichert, sondern gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB ...