Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Schwerbehinderteneigenschaft. Feststellung des GdB. rückwirkende Feststellung. besonderes Interesse. Beschränkung auf offenkundige Fälle. Statusentscheidung. abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen

 

Orientierungssatz

1. Bei der Feststellung des GdB handelt es sich um eine Statusentscheidung, die prinzipiell in die Zukunft wirkt und nach § 6 Abs 1 S 1 SchwbAwV lediglich deshalb auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück zu beziehen ist, um den schwerbehinderten Menschen durch die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht unzumutbar zu belasten.

2. Für eine weitergehende Rückwirkung ist nach Maßgabe von § 6 Abs 1 S 2 SchwbAwV ist nur dann Raum, wenn der Betroffene ein besonderes Interesse für eine frühere Statusentscheidung glaubhaft machen kann. Eine solche Rückwirkung muss jedoch auf offenkundige Fälle beschränkt werden, um den Sinn und Zweck einer Statusentscheidung nicht zu konterkarieren (vgl BSG Urteil vom 29. 5.1991 - 9a/9 RVs 11/89 = BSGE 69, 14 = SozR 3-1300 § 44 Nr 3).

3. Offenkundigkeit ist nach Auffassung des Senats nur dann anzunehmen, wenn die für die Feststellung erforderlichen Voraussetzungen aus der Sicht eines unbefangenen, sachkundigen Beobachters nach Prüfung der objektiv gegebenen Befundlage ohne weiteres deutlich zu Tage treten (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 19.1.2010 - L 11 SB 358/08).

4. Zum Vorliegen eines besonderen Interesses an der früheren Feststellung eines GdB von 50, wenn dem Antragsteller nach § 236a SGB 6 die von ihm bereits beantragte Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne Berücksichtigung von Abschlägen zustehen würde, wäre seine Schwerbehinderteneigenschaft bereits vor der Antragstellung festgestellt worden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die rückwirkende Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab dem 16. November 2000.

Der 1949 geborene Kläger ist Diplom-Kristallograph und bezieht nach eigenen Angaben derzeit Arbeitslosengeld und wird ab dem 27. Juni 2010 Altersrente mit Abschlägen erhalten.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1989 erkannte das Versorgungsamt H aufgrund eines persistierenden Bandscheibenschadens nach zweimaliger Operation mit rechtsseitiger Ischialgie und Reizmagen ab dem 17. Oktober 1989 einen GdB von insgesamt 30 an und stellte gleichzeitig fest, dass eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit gegeben sei.

Auf den am 17. November 2003 gestellten Änderungsantrag, mit dem der Kläger die Feststellung eines höheren GdB von mindestens 50 sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “aG„ (außergewöhnliche Gehbehinderung) unter Hinweis auf eine bestehende Arteriosklerose, ein Bluthochdruckleiden, Verschleißerscheinungen der Hüftgelenke, eines Glaukoms, einer Schlafapnoe und einer Schilddrüsenerkrankung begehrte, holte der Beklagte ärztliche Auskünfte der Ärztin für Augenheilkunde Dr. K vom 27. November 2003, des Facharztes für Innere Medizin Dr. G vom 7. Dezember 2003 und des Facharztes für Neurochirurgie Dr. U vom 5. Januar 2004 ein. In ihrer gutachtlichen Stellungnahme vom 26. Januar 2004 gelangte die Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie Dr. B zu der Einschätzung, dass weiterhin von einem GdB von 30 auszugehen sei; die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Merkzeichen lägen nicht vor. Dem folgend wies der Beklagte mit Bescheid vom 10. März 2004 den Änderungsantrag ab. In dem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 2. April 2004, in dem der Kläger insbesondere auf die bestehende Schlafapnoe sowie einen stationären Aufenthalt in den H-U-Kliniken S vom 22. November bis zum 20. Dezember 2004 hinwies, holte der Beklagte weitere ärztliche Auskünfte des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 21. Juni 2004 und der Fachärztin für Orthopädie Dr. B vom 6. Dezember 2004 ein. In seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 11. Januar 2005 gelangte der Versorgungsarzt T zu der Einschätzung, dass bei dem Kläger folgende Beeinträchtigungen gegeben seien:

- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule,

    operierte Bandscheibe, Nervenwurzelreizerscheinungen der

    Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Hüftgelenke beiderseits,

    Knorpelschäden am linken Kniegelenk

(Einzel-GdB 40)

- Schlafapnoe-Syndrom

(Einzel-GdB 20)

- Reizmagen

(Einzel-GdB 10).

Die Funktionsbehinderungen würden die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 50 ab dem 17. November 2003 (Tag der Änderungsantragstellung) rechtfertigen. Das Bluthochdruckleiden, die Herzleistungsminderung, das Glaukom, der Teilverlust der Schilddrüse und die Schultergelenksbeschwerden beiderseits hätten keine GdB-relevanten Beeinträchtigungen zur Folge. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Merkzeichen lägen nicht vor. Mit Abhilfebescheid vom 17. Januar 2005 ...

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