Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Verschlechterung des Gesundheitszustands. Zeitpunkt. Bewertung von Andeutungen des Sachverständigen in mündlicher Verhandlung über eine Verschlechterung des Gesundheitszustands gegenüber dem Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung
Orientierungssatz
Eine vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung des erstinstanzlichen Verfahrens angedeutete Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers gegenüber dem Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung, kann nicht zu einer Erhöhung des für die Zeit vor dem Tag der mündlichen Verhandlung zuerkannten Grads der Behinderung (GdB) führen, da sich jedenfalls ein konkreter vorheriger Zeitpunkt nicht feststellen lässt und die notwendige richterliche Überzeugungsbildung nicht durch spekulative Erwägungen ersetzt werden kann.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1937 geborene Kläger begehrt die Heraufsetzung des bei ihm festgestellten Grades der Behinderung (GdB) auf mindestens 40 in der Zeit vom 22. Januar 2007 bis zum 17. Juni 2015.
Mit Antrag vom 22. Januar 2007 beantragte der Kläger erstmals die Feststellung eines GdB und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises. Nach einer versorgungsärztlichen Untersuchung stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. Juli 2009 beim Kläger einen GdB von 30 und die dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit fest. Hierzu stellte er die Funktionsbeeinträchtigungen
- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule,
- Funktionsbehinderung des Schultergelenks, Funktionsbehinderung der Finger sowie
- Knorpelschäden am Kniegelenk, Funktionsstörung durch Fußfehlform
fest. Hierbei ging er für die beiden erstgenannten Behinderungen jeweils von Einzel-GdB in Höhe von 20 aus, im Übrigen nahm er einen GdB von 10 an. Auf den Widerspruch des Klägers holte der Beklagte weitere Befundberichte ein und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2010 zurück. Im Widerspruchsbescheid stellte er jedoch als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine Prostatavergrößerung fest, die er intern mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete.
Mit der Klage hat der Kläger die Zuerkennung eines GdB von mindestens 40 begehrt. Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt und den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat den Kläger am 22. November 2012 untersucht und ist in seinem Gutachten vom 27. November 2012 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 14. Januar 2013 und 31. Januar 2014 zu der Einschätzung gelangt, beim Kläger seien folgende Funktionsbeeinträchtigungen festzustellen und mit dem jeweiligen Einzel-GdB, wie aus dem Zusatz ersichtlich, zu bewerten:
a - Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit mäßiger Fehlstatik ohne wesentliche Funktionseinschränkungen (20),
b - Funktionsbehinderung der Finger bei Morbus Dupuytren , Reizerscheinungen der Schultergelenke mit leichter Einschränkung der Beweglichkeit (20),
c - beidseitige Schwerhörigkeit (15 = 20),
d - Bluthochdruck (10),
e - Knorpelschaden der Kniegelenke (10),
f - Fußfehlform (10) sowie
g - Prostatavergrößerung (10).
Zugleich hat der Sachverständige ausgeführt, der bislang durch den Beklagten mit einem GdB von 20 bewertete Bluthochdruck werde von ihm nur mit einem GdB von 10 bewertet, es könne aber bei der behördlichen Bewertung verbleiben. Dieser Zustand bestehe seit Januar 2012 und rechtfertige die Bildung eines Gesamt-GdB von 30. Diese Bildung des Gesamt-GdB beruhe auf einer verstärkenden Wirkung der Handkontraktur und der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Die übrigen Funktionsbeeinträchtigungen stünden hingegen beziehungslos nebeneinander und verstärkten einander nicht. Soweit dem Kläger durch den behandelnden Kardiologen eine schwere Form der Hypertonie mit Beeinträchtigung der Herzfunktion attestiert worden sei, können dies nicht bestätigt werden. Weder klinisch noch anamnestisch fänden sich hierzu Bestätigungen. In der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2015 hat der Sachverständige sein Gutachten außerdem erläutert. Mit Teilanerkenntnis vom 18. Juni 2015 hat der Beklagte beim Kläger einen GdB von 40 anerkannt. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit in Bezug auf den Zeitraum vom Januar 2007 bis einschließlich 17. Juni 2015 fortgeführt. Mit Urteil vom 18. Juni 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und eine Kostenerstattung nicht zugesprochen. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht im Wesentlichen die Ausführungen des Sachverständigen Dr. B zu Eigen gemacht und weiter ausgeführt, soweit der Kläger auf den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung einen deutlich vorgealterten Eindruck gemacht und der Kläger darüber hi...