Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Schwerbehinderten auf Zuerkennung des Merkzeichens G
Orientierungssatz
1. Nach § 69 Abs. 4 SGB 9 i. V. m. § 146 Abs. 1 S. 1 SGB 9 hat derjenige Schwerbehinderte Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens G, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
2. Als ortsübliche Wegstrecke gilt eine solche von ca. zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.
3. Sind die Funktionsbeeinträchtigungen des Schwerbehinderten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gehfunktion nicht vergleichbar mit den Erkrankungen, die in Teil D Nr. 1d bis Nr. 1f der Anlage zu § 2 VersMedV aufgeführt sind, so besteht kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens G. Dies gilt erst recht, wenn der Schwerbehinderte noch in der Lage ist, mit dem Fahrrad eine Strecke von 5 bis 8 km in einer halben Stunde zurückzulegen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Oktober 2010 wird zurückgewiesen, soweit der Rechtsstreit nicht bereits erledigt war.
Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im vorliegenden - abgetrennten - Berufungsverfahren über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Bei dem 1950 geborenen Kläger war 2004 ein Gesamt-GdB von 30 festgestellt worden. Auf dessen Verschlimmerungsantrag vom 7. August 2007 stellte der Beklagte bei ihm nach Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen mit Bescheid vom 12. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2008 einen Grad der Behinderung von 40 fest und lehnte die Zuerkennung der beantragten Merkzeichens “G„, “B„, “aG„ und “RF„ ab. Dem legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
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Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierte Bandscheibe (Einzel-GdB von 30), |
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Taubheit des rechten Ohres, Schwerhörigkeit links, Ohrgeräusche links (Tinnitus) (Einzel-GdB von 30), |
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Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Einzel-GdB von 25), |
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chronisches Ekzem (Einzel-GdB von 10), |
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Diabetes mellitus Typ II (mit Diät einstellbar) (Einzel-GdB von 10). |
Mit seiner Klage bei dem Sozialgericht Cottbus hat Kläger zunächst die Feststellung eines GdB von mindestens 50 sowie des Vorliegens der Voraussetzungen für die Merkzeichen G___AMPX_‚_SEMIKOLONX___X„ und “aG„ begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten und medizinischen Unterlagen, u.a. dem Gutachten des Hautarztes Dr. S vom 2. März 2008 aus einem Rechtsstreit des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft, das Gutachten des Sozialmediziners Dr. A vom 26. Januar 2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 20. Juli 2010 eingeholt, der als Funktionsbeeinträchtigungen
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Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei Postdiskektomiesyndrom (Einzel-GdB von 30), |
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Taubheit des rechten Ohres, Schwerhörigkeit links, Ohrgeräusche links (Tinnitus) (Einzel-GdB von 30), |
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chronisches Kontaktekzem (Einzel-GdB von 30), |
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Diabetes mellitus Typ II (Einzel-GdB von 20), |
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Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Einzel-GdB von 20), |
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arterielle Hypertonie mit Organbeteiligung (Einzel-GdB von 10) |
festgestellt und für den Zeitraum ab Februar 2008 mit einem Gesamt-GdB von 50 bewertet hat.
In der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2010 hat der Kläger sein Begehren auf die Feststellung eines GdB von 50 und die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ ab Februar 2008 beschränkt. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Oktober 2010 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein höherer Gesamt-GdB von 40 nicht zu rechtfertigen sei. Es ist hierbei im Wesentlichen den Einwänden des Beklagten gefolgt, das chronische Ekzem, der Diabetes mellitus und die Hypertonie seinen jeweils nur mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers (Az. L 13 SB 296/10), mit der er sein Begehren weiter verfolgt hat. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Befundberichts der Hausärztin Dr. Z vom 9. Januar 2012 und des Gutachtens der Hautärztin Dr. R vom 8. Oktober 2014. Die Sachverständige hat auf ihrem Fachgebiet die Hautveränderungen sämtlicher Finger mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 15. Januar 2015 mit Wirkung ab Februar 2008 das Vorliegen eines Gesamt-GdB von 50 anerkannt. Hinsichtlich des Merkzeichens “G„ hat der Senat mit Beschluss vom 15. Januar 2015 den Rechtsstreit abgetrennt.
Im vorliegenden Verfahren hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W vom 31. Mai 2015 eingeholt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Oktober 2010 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 12....