Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Schwarzarbeit. Beitragsnachforderung. Entstehen von Beitragsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
Für die verbundenen Prüfungen gemäß § 2 Abs 4 S 3 SchwarzArbG (juris: SchwarzArbG 2004) gelten die auf der Grundlage von § 28p Abs 9 SGB IV erlassenen, die Durchführung von Betriebsprüfungen betreffenden Regelungen in §§ 7 bis 13a BVV (juris: BeitrVV) nicht.
Orientierungssatz
Nach dem beitragsrechtlichen Entstehungsprinzip hängt der Beitragsanspruch nur davon ab, ob zivilrechtlich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahren mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung i.H.v. 6.726,96 € infolge einer Betriebsprüfung der Beklagten bezüglich des Zeitraums 1. Dezember 2012 bis 31. Mai 2013.
Die Klägerin ist eine 2004 gegründete, beim Companies House in Birmingham registrierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung englischen Rechts (limited liability company, abgekürzt: Ltd.). Sie unterhält in Berlin eine Zweigniederlassung neben der in Birmingham (Vereinigtes Königreich) bestehenden Hauptniederlassung. Unternehmensgegenstand ist ausweislich des Handelsregisters (Amtsgericht Charlottenburg, HRB 95005 B) „Trockenbau, alle Tätigkeiten und Dienstleistungen im Sinne einer Werbeagentur“, ausweislich des Gewerberegisters der Stadt Berlin „Trockenbau, Möbel-Montage Gebäudereinigung nach Hausfrauenart“. Ausweislich seiner Website ist der „KiezLaden“ (G, Berlin, im Folgenden: Laden) eine „Abteilung“ der Klägerin. Als Ansprechpartner wird A K (im Folgenden: K) genannt (vgl. https://khandwerker.eu/Kontakt/Impressum/).
Geschäftsführer der Klägerin war bis Mai 2006 J K (* 1960, wohnhaft unter der aktuellen Anschrift der Klägerin), seither ist es sein Sohn A K (* 1981).
Die Klägerin hatte den 1959 geborenen Beigeladenen zu 1 (W Ko; im Folgenden: Beigeladener) für die Zeit ab 1. Oktober 2012 mit einem Arbeitsentgelt von 100 € monatlich als geringfügig Beschäftigten zur Sozialversicherung angemeldet. In dieser Höhe wurde das Einkommen aus der Beschäftigung des Beigeladenen auch dem Jobcenter Berlin Reinickendorf mitgeteilt, das ihm damals laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gewährte. Zum 31. März 2014 wurde der Beigeladene abgemeldet.
In seinem Zwischenbericht vom 24. September 2013 zum „Ermittlungsverfahren gegen J, M und A K“ stellte das Hauptzollamt Berlin u.a. fest:
- J K beendete zwei Ausbildungen zum Kellner bzw. Elektriker nicht, war von 1995-98 als angestellter Bauleiter und im Übrigen wie folgt selbstständig tätig:
- 1984 - 1993: Einzelfirma (Gebäudereinigung, Dienstleistung)
- 1999 - 2002: Einzelfirma (große technische Baubetreuung, Vermittlung von Aufträgen im Baubereich, Einzelhandel mit Elektro- und Sanitärmaterialien)
- 2001 - 2004: Geschäftsführer der Immobilienbau- und Projekt Service GmbH
- J K wurde zwischen 2000 und 2009 wegen wiederholter Beitragsvorenthaltung, Einschleusung und Beschäftigung von sechs Ukrainern sowie Steuerhinterziehung zu Geldstrafen sowie Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
- J K wurde 1999 eine „allumfassende Gewerbeuntersagung als Gewerbetreibender und Vertretungsberechtigter für die Ausübung von Gewerben, für die § 35 (I) GewO gilt“ erteilt. Die o.g. GmbH wurde nach der rechtskräftigen Abweisung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse aufgelöst.
- Die Klägerin betrieb bzw. betreibt weitere Geschäfte („Maler-Express“, „Elektriker-Express“, „K-Dessous“, „Regal-Express (vornehmlich Trockenbau-Artikel)“).
- In einem Schreiben vom 3. April 2006 (Angebot über IT-Dienstleistungen) werden A K als Ansprechpartner für „Hard-und Software“ und J K als Ansprechpartner für „Konzepte und Betriebslogistik“ bezeichnet.
- Für den Betriebssitz der Klägerin im E (, Berlin) schloss J K mit der DKGaA für die Zeit ab 1. Oktober 2004 einen „Domizil-Servicevertrag“, der u.a. die Annahme von Brief- und Warensendungen für die Klägerin zum Gegenstand hatte. Räume mietete die Klägerin im E nicht an, es wurde ein Firmenschild am Hauseingang angebracht.
- J bzw. A K ließen für die Klägerin im Internet insgesamt 11 Domain-Adressen registrieren. Für die Durchführung und Abwicklung der Geschäfte verwendet die Klägerin ferner diverse andere Websites unterschiedlichen Formats.
- A K schloss seine Ausbildung zum Bürokaufmann nicht ab. Ihm wurden aufgrund einer Muskelerkrankung mit Bescheid vom 24. Mai 2012 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen B, aG, T und H zuerkannt. Mit Bescheid vom 11. Februar 2019 bewilligte ihm die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Zeit ab dem 1. September 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderun...