Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Anerkennung eines Zeckenstiches als Arbeitsunfall. Nachweis einer Borrelioseerkrankung als Gesundheitserstschaden

 

Orientierungssatz

1. Für einen Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente.

2. Eine Borreliose-Infektion stellt noch keinen Gesundheitserstschaden dar, denn eine Infektion ist lediglich der Vorgang der Ansteckung, d. h. das aktive oder passive Eindringen, Anhaften und Vermehren von Krankheitserregern in einen Wirt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. November 2006 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung eines Zeckenstichs als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Verletztenrente.

Der 1964 geborene Kläger war vom 01. März 1983 bis zum 30. April 1989 Beschäftigter der Deutschen Reichsbahn (DR) mit Wohnsitz in West-Berlin. Vom 01. Januar 1984 bis zum 30. November 1985 war er als Rangierarbeiter, danach als Einweiser für Krananlagen eingesetzt. Seit dem 01. Mai 1989 ist der Kläger keiner Beschäftigung mehr nachgegangen. 1993 wurde bei ihm eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie diagnostiziert. Er bezieht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01. Juni 1994 (Bescheid vom 11. Juli 1997).

Laut der Gesundheitsakte der DR erlitt er im August 1983, Januar 1985 und Januar 1989 Verletzungen beim Fußball (Kopfprellung bzw. Verstauchung und Zerrung des Knies und des Beines bzw. Prellung des Rumpfes). Am 26. Juli 1985 wurde er in der Reichsbahnpoliklinik West wegen Grippe behandelt. Wegen anhaltender Beschwerden wie Genick-, Rücken- und Knieschmerzen wurde er vom 14. August 1985 bis Oktober 1985 auf einem Schonarbeitsplatz eingesetzt. Vom 03. Oktober bis zum 15. Oktober 1985 wurde er im Krankenhaus A U stationär wegen Lumbago, Zustand nach fieberhaftem Infekt mit Schüttelfrost und Kraftminderung in beiden Beinen behandelt. Danach wurde laut den Aufzeichnungen des Neurologen und Psychiaters Dr. N-C in der Gesundheitsakte noch eine Behandlung mit Antibiotika durchgeführt (Antibiotikum und Arzt unbekannt). Im Jahr 1998 erfolgte eine positive Borrelien-Serologie (Befund vom 03. März 1998: ELISA negativ, Borrelien IgM-Westernblot negativ, IgG-Westernblot positiv).

Mit Schreiben vom 25. Juli 2001 wandte sich der Kläger durch seinen Bruder C S zunächst an die Bahnversicherungsanstalt (BVA) und gab an, an einem sonnigen Tag Ende Mai/Anfang Juni 1985 an seiner Arbeitsstelle SNL Schönholz beim Entladen eines mit Holz beladenen Waggons im Wadenbereich von einer Zecke gestochen worden zu sein. Ein Arzt sei nicht hinzugezogen worden, Antibiotika habe er nicht erhalten. Zeugin sei seine Mutter H S, die die Zecke nach der Arbeit zu Hause entfernt habe. Ob eine Hautrötung eingetreten sei, sei nicht kontrolliert worden. Vier Monate später habe er diagnostisch nicht einzuordnende Beschwerden der Gelenke entwickelt und sich fortan krank gefühlt. Er habe infolge des Zeckenstichs eine Hirnhautentzündung durchgemacht. Fälschlicherweise sei eine Schizophrenie diagnostiziert worden.

Die Beklagte ermittelte in der Folgezeit unter anderem durch Beziehung der bei dem behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. P befindlichen Unterlagen, die einen Entlassungsbericht der C - Klinik und Poliklinik für Psychiatrie - vom 23. Mai 2000 betreffend einen stationären Aufenthalt des Klägers im April und Mai 2000 umfassten. Die anlässlich der dort durchgeführten Behandlung erfolgte Borrelien-Serologie war negativ verlaufen. Die Beklagte zog außerdem die medizinischen Unterlagen der Bahnversicherungsanstalt - BVA - (u. a. Entlassungsbericht des Krankenhaus M vom 11. Mai 1993 und neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 23. Mai 1996, 08. April 1997 und 28. Juni 2000), die Krankengeschichte des Krankenhaus A U zum stationären Aufenthalt im Oktober 1985, die Gesundheitsunterlagen aus der Personalakte des Klägers bei der DR, die Gesundheitsakte der DR und ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Berlin bei. Schließlich holte sie noch eine Stellungnahme des Direktors der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der C - Prof. Dr. U - vom 07. Januar 2002 ein und lehnte schließlich die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit Bescheid vom 08. März 2002 ab, da ein Arbeitsunfall nicht habe fest...

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