Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Pflegeversicherung. Kontrahierungszwang gemäß § 110 Abs 1 Nr 1, Abs 3 Nr 1 SGB 11. Ausschluss des Rücktritts- und Kündigungsrechts des Versicherers
Orientierungssatz
Eine Beendigung der privaten Pflegepflichtversicherung durch Kündigung oder Rücktritt seitens des Versicherers ist ausgeschlossen, solange der Kontrahierungszwang gemäß § 110 Abs 1 Nr 1, Abs 3 Nr 1 SGB 11 besteht. Die rückwirkende Auflösung eines privaten Krankenversicherungsvertrags aufgrund eines Rücktritts oder einer Anfechtung durch den Versicherer beseitigt den Kontrahierungszwang zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrages nicht.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Dezember 2010 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der zwischen den Beteiligten am 16. Januar 2002 geschlossene Vertrag über die private Pflegeversicherung zum 1. Februar 2002 mit der Tarifstufe PVB fortbesteht und weder durch die Rücknahme noch durch Anfechtung des Beklagten mit Schreiben vom 24. November 2003 beendet worden ist.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der zwischen den Beteiligten geschlossene private Pflegepflichtversicherungsvertrag unverändert fortbesteht und nicht durch Rücktritt bzw. Anfechtung durch den Beklagten beendet worden ist.
Der 1979 geborene Kläger ist Polizeivollzugsbeamter im Berliner Landesdienst und nach landesrechtlichen Regelungen in der Krankenversicherung beihilfeberechtigt.
Am 12. Januar 2002 beantragte der Kläger bei dem Außendienstmitarbeiter des Beklagten MK den Abschluss einer privaten Kranken- und Pflegepflichtversicherung, da sein bisheriger Versicherungsschutz zum 31. Januar 2002 endete. Die in dem gemeinsamen Antragsformular unter “Angaben und Erklärungen für die Kranken- und Sterbegeldversicherung unter der Ziffer VII. “Angaben über die Gesundheitsverhältnisse der zu versichernden Person gestellten Fragen zu Ziffer 2 : “Bestehen Krank-heiten,…geistige Schäden… (wie z. B. psychische Störungen…)?„ und zu Ziffer 3: “Erfolgten in den letzten drei Jahren, 3.1 ambulante Behandlungen, Untersuchungen und Beratungen? verneinte der Kläger durch entsprechende Ankreuzung. Der Versicherungsvertrag über die private Kranken- und Pflegepflichtversicherung kam darauf hin am 16. Januar 2002 mit den Tarifstufen “P30+P20, Z30+Z20, BE, WK50, PVB„ zustande.
Mit Schreiben vom 24. November 2003, das beim Kläger am 25. November 2003 einging, erklärte der Beklagte den Rücktritt und die Anfechtung des Vertrages. In der Begründung heißt es:
“Nach Auskunft des Psychiaters Herrn Dr. S werden Sie dort seit Mai 2000 regelmäßig wegen eines Angstsyndroms behandelt. Neben einer Psychopharmakatherapie finden Gespräche statt. Bei Vertragsabschluss war uns der dargestellte Sachverhalt nicht bekannt. Anderenfalls hätten wir den Vertrag nicht geschlossen.„
Nachdem der Versuch eine gütlichen Einigung vor dem Ombudsmann des Beklagten gescheitert war, hat der Kläger am 31. Dezember 2004 Klage vor dem Landgericht Berlin (Az: 7 O 657/04) auf Feststellung des Fortbestandes des Vertrages über die Kranken- und Pflegepflichtversicherung erhoben, die er bezogen auf die Feststellung des Fortbestandes des Vertrages über die Pflegepflichtversicherung aufgrund des Hinweises des Landgerichts zur Unzulässigkeit des beschrittenen Zivilrechtsweges zurückgenommen hat. Mit Urteil vom 24. November 2005 hat das Landgericht das in der Sache ergangene Versäumnisurteil vom 30. Juni 2005 aufrechterhalten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung des unveränderten Fortbestandes des zwischen den Beteiligten geschlossenen Krankenversicherungsvertrages. Der Beklagte sei wirksam vom Vertrag gemäß § 16 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung zurückgetreten. Denn der Kläger habe die Gesundheitsfrage der Ziffer 3.1. falsch beantwortet und dadurch seine vorvertragliche Anzeigenobliegenheit verletzt. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat das Kammergericht Berlin mit Beschluss vom 16. Mai 2006 (Az: 6 U 12/06) zurückgewiesen. Die vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin (Az: VerfGH 110/06) und vor dem Bundesverfassungsgericht (Az: 1 BvR 2863/09) erhobenen Verfassungsbeschwerden blieben erfolglos.
Der Kläger hat am 22. Juli 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin auf Feststellung des Fortbestandes des privaten Pflegepflichtversicherungsvertrages erhoben.
Mit Urteil vom 17. Dezember 2010 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Der zwischen den Beteiligten geschlossene Vertrag über eine private Pflegepflichtversicherung sei durch den wirksamen Rücktritt des Beklagten beendet worden. Der Kläger habe dem Beklagten bei Schließung des Versicherungsvertrages ihm bekannte Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich waren, schuldhaft nicht bzw. unrichtig ange...