Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfall und Höhe der Rechtsanwaltsgebühren im Widerspruchsverfahren
Orientierungssatz
1. Die dem Rechtsanwalt für das Betreiben des Widerspruchsverfahrens nach Nr. 2400 VV RVG zustehende Geschäftsgebühr beträgt regelmäßig 240.- €. . Eine höhere Gebühr kann nur verlangt werden, wenn die Tätigkeit überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig war, vgl. BSG, Urteil vom 05. Mai 2010 - B 11 AL 14/09 R.
2. Bei der Aufhebung einer bewilligten Leistung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit handelt es sich um eine geläufige Problemlage, die sich auch bei einem Anwalt, der nicht regelmäßig mit Streitsachen des Sozialrechts befasst ist, nicht gebührensteigernd auswirkt.
3. Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG i. V. m. Nr. 1002 VV RVG kann für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet.
4. Zur ordnungsgemäßen Vertretung im Widerspruchsverfahren durch einen Rechtsanwalt gehört die qualifizierte Verständigung mit dem Widerspruchsführer. Erst wenn eine substantielle anwaltliche Tätigkeit zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens nachweislich geführt hat, ist eine Erledigungsgebühr angefallen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe die Kosten von zwei Widerspruchsverfahren von der Beklagten zu erstatten sind.
Der im Zuständigkeitsbereich der Beklagten lebende Kläger nahm am 01. Oktober 2008 Arbeit in S auf und beantragte dazu Trennungskostenbeihilfe. Diese bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Oktober 2008 bis einschließlich März 2009 iHv 260,00 EUR monatlich. Ende November 2008 zeigt der Kläger an, dass er den Beschäftigungsort wechseln und nunmehr in N arbeiten werde. Am 19. Januar stellte er einen Antrag auf Gewährung von Umzugskostenbeihilfe; seine Auslagen würden 574,07 EUR betragen. Zur Zusammensetzung des Betrages ist den Akten nichts zu entnehmen
Mit Bescheid vom 22. April 2009 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht begründet, da der Kläger seinen Hauptwohnsitz nicht verlege. Mit Bescheid vom gleichen Tage hob die Beklagte zudem den Bescheid vom 10. Oktober 2008 über die Bewilligung von Trennungskostenbeihilfe, deren Zahlung sie zum 31. Januar 2009 eingestellt hatte, von Beginn an auf und verfügte eine Erstattungsverpflichtung iHv 1040,00 EUR. Es habe an den Voraussetzungen dieser Leistung gefehlt, da der Kläger im Haushalt seiner Eltern gelebt und keine abgeschlossene Wohnung innegehabt habe.
Mit Schreiben vom 09. Mai 2009, dass eine 6 Seiten umfassende Begründung enthielt, legte der Kläger gegen beide Entscheidungen Widerspruch ein. Nach entsprechender interner Willensbildung (weder die Trennungskostenbeihilfe noch die Umzugskostenbeihilfe setzten die Aufgabe einer eigenen Wohnung voraus) hob die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juni 2009 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22. April 2009 auf, dem Widerspruch sei damit vollständig entsprochen worden; Kosten, auch die eines Bevollmächtigten, würden auf Antrag im notwendigen Umfang erstattet. Mit weiteren Bescheid vom 15. Juni 2009 bewilligte die Beklagte Umzugskostenbeihilfe in Höhe von 422,11 EUR (Rechtsmittelbelehrung: Widerspruch). Die Nachzahlung der Trennungskostenbeihilfe ab dem 01. Februar 2009 wurde zunächst nicht veranlasst. Der Bevollmächtigte des Klägers mahnte dies mit Schreiben vom 28. Juni 2009 erfolgreich an.
Mit Schreiben vom 11. August 2009 rechnete der Bevollmächtigte des Klägers die Widerspruchsverfahren in Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) in der Weise ab, dass er bezüglich des Widerspruchs gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eine Geschäftsgebühr iHv 350,00 EUR ansetzte (Bezugnahme Nr 2400 der Anlage 1 zu § 2 Abs 2 RVG - Vergütungsverzeichnis ≪VV RVG≫ in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung; diese wird im Weiteren zugrunde gelegt) und zudem eine Erledigungsgebühr in gleicher Höhe in Ansatz brachte (Nr 1005 VV RVG). Bezüglich des Widerspruchs gegen die Ablehnung der Umzugskostenbeihilfe setzte er die Geschäftsgebühr mit 240,00 EUR an und berechnete ebenfalls eine Erledigungsgebühr, in diesem Fall von 280,00 EUR. Der gesamte Rechnungsbetrag einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer betrug danach 1.499,40 EUR (773,50 EUR für das Widerspruchsverfahren bzgl der Trennungskostenbeihilfe, 642,60 EUR für das Widerspruchsverfahren zu den Umzugskosten).
Mit zwei Bescheiden vom 20. August 2009 lehnte die Beklagte in beiden Verfahren eine Erstattung von jeweils mehr als 309,40 EUR ab. Das Widerspruchsverfahren betreffend die Aufhebung und Erstattung der Trennungskostenbeihilfe rechtfertige höchstens den Ansatz der Schwellengebühr von 240,00 EUR, da Aufwand und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht als überdurchschnittlich bewertet werden könnten. E...