Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegegeld. Pflegekind. Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende. Arbeitslosengeld II. Zusammenleben mit einem Pflegekind. Mehrbedarf für Alleinerziehende. Einkommensberücksichtigung. Erziehungsbeitrag bzw Pflegegeld nach § 39 SGB 8 als zweckbestimmte Einnahme. Kindergeldberücksichtigung in Höhe des nicht beim Pflegegeld angerechneten Betrages. Bedarfsgemeinschaft. Warmwasserbereitung. Kindergeld. Hilfe zur Erziehung. Erwerbsmäßigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Zwischen einem Hilfebedürftigen und einem in seinem Haushalt lebenden Pflegekind besteht keine Bedarfsgemeinschaft.
2. Für die Anerkennung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 3 SGB II kommt es ausschließlich darauf an, ob die betroffene Person die Pflege und Erziehung eines Kindes tatsächlich allein ausübt. Nicht maßgeblich ist hingegen, ob ihr das Personensorgerecht zusteht oder ob das Kind von ihr abstammt.
3. Bei der Höhe des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 3 SGB II findet die Rundungsregelung nach § 41 Abs. 2 SGB II keine Anwendung.
4. Schon vor Inkrafttreten des § 11 Abs. 4 SGB II am 01.01.2007 war, jedenfalls in Fällen, in denen nicht mehr als zwei Pflegekinder in einer Familie erzogen werden, der Erziehungsbeitrag nach § 39 SGB VIII nicht als Einkommen der hilfebedürftigen Pflegeperson zu berücksichtigen.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 3, §§ 9, 11 Abs. 1 S. 3, Abs. 3, § 20 Abs. 2, § 21 Abs. 3 Nr. 1, § 22 Abs. 1, § 41 Abs. 2; Alg-II-VO § 3 Abs. 1 Nr. 1; SGB VIII § 27 Abs. 1, 2 S. 2, § 33 S. 1, § 39 Abs. 1, 6; SGB XII § 83; EStG § 3 Nr. 1
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2007 geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird unter Änderung seines Bescheides vom 29. September 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2006 und des Änderungsbescheides vom 16. März 2006 verurteilt, der Klägerin weitere Leistungen zum Lebensunterhalt einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate Oktober 2005 bis Januar 2006 in Höhe von 483,64 € monatlich sowie für die Monate Februar und März 2006 in Höhe von 596,18 € monatlich zu gewähren.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006.
Die im Jahre 1955 geborene Klägerin wohnte während des streitbefangenen Zeitraums in einer 4-Zimmer-Wohnung, deren Bruttowarmmiete einschließlich Heizung und Warmwasser bis Februar 2006 755,83 € monatlich und ab März 2006 733,56 € monatlich betrug. Aufgrund eines zwischen ihr und dem Bezirksamt S- Abteilung Jugend und Familie - (Jugendamt) am 6. April 2004 geschlossenen heilpädagogischen Pflegevertrages lebte in ihrem Haushalt ein im Jahre 2000 geborenes Pflegekind, das vom Jugendamt wegen erheblicher psychischer Störungen dem Personenkreis der seelisch behinderten Kinder und Jugendlichen im Sinne des § 35 a des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) zugerechnet wurde. Für die Unterbringung, Erziehung und Betreuung dieses Pflegekindes in Vollzeitpflege zahlte ihr das Jugendamt Leistungen nach § 39 SGB VIII in Höhe von insgesamt 1.319,97 € monatlich (im Folgenden: Pflegegeld). Dieses Pflegegeld setzte sich aus einer im Bewilligungsbescheid des Jugendamtes vom 3. August 2005 ebenfalls als “Pflegegeld„ bezeichneten Pauschale zum Lebensunterhalt in Höhe von 312,00 € (389,00 € abzüglich anteiligem Kindergeld in Höhe von 77,00 €), dem so genannten “Erziehungsgeld„ (im Folgenden: Erziehungsbeitrag) in Höhe von 959,00 € sowie einer Beihilfenpauschale in Höhe von 48,97 € zusammen. Während die Pauschale zum Lebensunterhalt die regelmäßigen Aufwendungen für die Erziehung und den Lebensunterhalt des Pflegekindes umfasste und mit der Beihilfenpauschale Leistungen für sonstige persönliche Ausstattung des Pflegekindes, Schulfahrten, Reisekostenzuschuss und Weihnachtsbeihilfe abgedeckt wurden, diente der Erziehungsbeitrag zur Abgeltung der von der Klägerin erbrachten Erziehungs- und Betreuungsleistung. Daneben erhielt die Klägerin für das Pflegekind Kindergeld in Höhe von 154,00 € monatlich von der Familienkasse.
Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 23. August 2005 bewilligte ihr der Beklagte mit seinem Bescheid vom 29. September 2005 für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach den Bestimmungen des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Höhe von 200,26 € monatlich. Hierbei ging er davon aus, dass die Klägerin mit dem Pflegekind lediglich in einer Haushaltsgemeinschaft zusammen lebe, und berücksichtigte auf der Bedarfsseite die für sie maßgebliche Regelleistung sowie die Hälfte der KdU, d...