Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsantrag. Antrag auf Überprüfung sämtlicher Bescheide der letzten Jahre auf ihre Rechtmäßigkeit. Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens erst im Rahmen der Klagebegründung
Orientierungssatz
1. Ergibt sich im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 Abs 1 S 1 SGB 10 nichts, was für die Rechtswidrigkeit der zu überprüfenden Entscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen.
2. Eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens in der Klagebegründung kommt schlicht zu spät.
Tenor
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zur Überprüfung bestandskräftiger Bescheide über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit dem 1. Januar 2006 verpflichtet ist.
Die 1956 geborene Klägerin bezieht von dem Beklagten in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann, der insoweit die Vertretung übernommen hat, seit dem 1. Januar 2005 durchgehend Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 22. Februar 2006 wurde die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2005 wegen einer Änderung des Gesamtbedarfs teilweise aufgehoben und Erstattung zu viel gezahlter Leistungen in Höhe von 543,18 € verlangt. Dem dagegen erhobenen Widerspruch half der Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 2008 ab.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 beantragte die anwaltlich vertretene Klägerin, “die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung nach dem SGB II seit dem 01. 01. 2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide„.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 bat der Beklagte um Auflistung der bestandskräftigen Bescheide und Angabe des Sachgrundes zum Überprüfungsbegehren. Auf diese Anfrage teilte die Klägerin am 20. Dezember 2010 (Eingangsdatum) Folgendes mit: “Es sollen sämtliche Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden„
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2010 lehnte der Beklagte der Klägerin gegenüber eine Sachprüfung der Bescheide mangels schlüssigen Überprüfungsantrages ab und berief sich auf die Bindungswirkung der Bescheide. Durch die Klägerin sei nichts vorgetragen worden, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen sprechen würde. Ein schlüssiger Vortrag stelle jedoch die Minimalanforderung an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens dar. Ein solcher Antrag ohne Darlegung etwaiger Anknüpfungspunkte sei als rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme anzusehen.
Den dagegen am 22. Dezember 2010 ohne Begründung erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2011 aus den Gründen der ablehnenden Entscheidung als unbegründet zurück. Ergänzend trug er vor, die Klägerin habe auch nach Aufforderung seitens des Beklagten nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen des Beklagten sprechen könne. Eine Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sei zudem eine Einzelfallentscheidung. Folglich könne und müsse sich der Antrag auf einen konkreten Bescheid beziehen.
Am 4. April 2011 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben. Rechtsansichten müsse sie im Verfahren des § 44 SGB X nicht mitteilen. Der Beklagte unterliege vielmehr dem Amtsermittlungsgrundsatz. Der Beklagte dürfe einen Überprüfungsantrag nur dann ohne Sachprüfung ablehnen, wenn dieser wiederholt gestellt worden sei. Dem Beklagten sei bekannt, dass er bis Mitte 2010 aufgrund rechtswidriger Weisungen die Warmwasserpauschale anhand der Grundfläche der Wohnung und darüber hinaus zu hoch ermittelt habe. Daher müsse er darauf nicht hinweisen.
Das Sozialgericht hat dem Vorbringen der Klägerin den sinngemäßen Antrag entnommen, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2011 zu verpflichten, sämtliche bestandskräftigen Bescheide abzuändern und der Klägerin höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Überprüfungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sei nicht zu beanstanden. Die Vorschrift des § 44 SGB X umfasse eine Korrekturmöglichkeit im Einzelfall. Ein pauschaler Antrag auf Überprüfung sämtlicher Bescheide für einen bestimmten Zeitraum entspreche daher nicht dem Sinn und Zweck eines solchen Überprüfungsverfahrens. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse der Beklagte nur dann in die Sachprüfung einsteigen, wenn Gründe vorgetragen werden, die ihrer Art nach geeignet seien, die Verwaltungsentscheidung in Frage zu stellen. Die Klägerin habe trotz Aufforderung keinerlei Bescheide benannt, die überprüft werden sollen, oder Gründe für eine Überprüfung genannt. Die seitens der Klägerin geforderte Amtsermittlung trete frühestens ein, wenn die mögliche Rechtswidrigkeit einer konkreten Verwaltungsentscheidung, die zu bezeichn...