Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsantrag. Antrag auf Überprüfung sämtlicher Bescheide der letzten Jahre auf ihre Rechtmäßigkeit. Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens erst im Klageverfahren
Orientierungssatz
1. Ergeben sich im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 Abs 1 S 1 SGB 10 keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der zu überprüfenden Bescheide, weil weder im Verwaltungsverfahren noch im Widerspruchsverfahren auch nur ansatzweise dargelegt wurde, aus welchen Gründen sämtliche Bescheide rechtswidrig sein sollen, darf sich die Verwaltung ohne Sachgrundprüfung auf die Bindungswirkung der Bescheide berufen und ihre Überprüfung ablehnen.
2. Eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens erst im Klageverfahren ändert hieran nichts.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 09. November 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte den Überprüfungsantrag der Klägerin vom 03. Februar 2011 zu Recht in der Sache nicht beschieden hat.
Die 1973 geborene Klägerin, ihr 1970 geborener Ehemann S und ihr 1998 geborener Sohn A bilden eine Bedarfsgemeinschaft und beziehen seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Mit undatiertem, dem Beklagten am 03. Februar 2011 vom Faxgerät ihres Bevollmächtigten übermitteltem Schreiben beantragte die Klägerin die “Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide„. Dabei seien die Leistungs- und Änderungsbescheide hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung - insbesondere des Abzugs der Warmwasseraufbereitungskosten -, der Einkommensanrechnung - insbesondere der Anrechnung von Einkommensüberhang aus Kindergeld - sowie der Einkommensfreibeträge und des Werbungskostenabzugs zu überprüfen. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide seien hinsichtlich ihrer formellen und materiellen Rechtmäßigkeit zu prüfen. Die mit Schreiben vom 14. Februar 2011 geäußerte Bitte des Beklagten um genaue Benennung der zu überprüfenden Bescheide, der damit verbundenen Zeiträume sowie des zu überprüfenden Inhalts, wurde mit dem Stempelaufdruck “Es sollen sämtliche Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden„ und der Unterschrift des Bevollmächtigten versehen an den Beklagten zurückgesandt. Eine weitere Begründung enthielt das Schreiben nicht, auch keine Ankündigung, dass eine solche folgen werde.
Mit Bescheid vom 01. März 2011 stellte der Beklagte fest, dass eine Prüfung der Bescheide in der Sache nicht vorzunehmen gewesen sei, weil trotz nochmaliger Aufforderung nichts vorgetragen worden sei, das für eine Unrichtigkeit der Entscheidungen spreche. Ein diesbezüglich schlüssiger Vortrag sei jedoch die Minimalanforderung an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), ohne Darlegung etwaiger Anknüpfungspunkte sei ein solcher Antrag als rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme anzusehen. Er - der Beklagte - müsse sich insoweit auf die Bindungswirkung der Bescheide berufen. Es habe daher von einer Prüfung abgesehen werden dürfen. Den hiergegen durch Stempelaufdruck auf dem Bescheid - ohne Begründung - erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 02. März 2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 2011 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe nichts vorgebracht, das für die Unrichtigkeit der Entscheidung spreche. Sie habe weder die zu überprüfenden Bescheide bezeichnet, noch Angaben dazu gemacht, wieso sie von einer Rechtswidrigkeit der Bescheide ausgehe. Er dürfe sich daher ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der früheren Bescheide berufen.
Mit ihrer am 23. Mai 2011 beim Sozialgericht Cottbus eingegangenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, sie müsse auch im Verfahren des § 44 SGB X keine Rechtsansichten mitteilen; vielmehr unterliege der Beklagte dem Amtsermittlungsgrundsatz und dürfe einen Überprüfungsantrag nur dann ohne Sachprüfung ablehnen, wenn dieser wiederholt gestellt worden sei. Mit Schriftsatz vom 29. August 2011 hat sie mitgeteilt, dass eine Korrektur der Bescheide des Beklagten vom 08. Februar 2006, 18. Juli 2006, 29. Januar 2007, 22. August 2007, 21. Januar 2008, 28. Juli 2008, 26. Januar 2009, 18. Februar 2010 und 12. August 2010 jeweils inklusive aller Änderungsbescheide, des Sanktionsbescheides vom 22. August 2007 sowie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 03. Januar 2007, 10. Januar 2008, 07. Februar 2008, 17. Oktober 2008, 26. Juli 2010 und 03. September 2010 begehrt werde.
Der Beklagte hat das Schreiben vom 29. August 2011, mit dem nunmehr im Klageverfahren die zu überprüfenden Bescheide konkret benannt wurden, als neuen Überprüfungsantrag gewertet. Mit Bescheiden vom 27. Ok...