Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung der privaten Pflegeversicherung zum Abschluss eines Versicherungsvertrags
Leitsatz (amtlich)
Ein Kontrahierungszwang nach § 110 Abs 1, 2 SGB 11 kann auch dann bestehen, wenn das Pflegeversicherungsverhältnis zwischenzeitlich unterbrochen war.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2004 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, mit dem Kläger ab dem 1. Januar 2002 einen Vertrag über eine private Pflegepflichtversicherung nach Maßgabe des § 110 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch abzuschließen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zur Hälfte zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Beklagten zum Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages mit dem Kläger unter den für so genannte Altversicherte geltenden Bedingungen.
Der Kläger ist seit dem 1. September 1982 bei dem beklagten Versicherungsunternehmen privat gegen Krankheit versichert. Seit dem 1. Januar 1995 war er bei diesem Unternehmen auch pflegeversichert, und zwar für die günstigeren Versicherungstarife entsprechend § 110 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (SGB XI).
Am 23. Juli 1996 teilte der Kläger der Beklagten mit, er werde für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001 seinen Wohnsitz in die USA verlegen und sei in dieser Zeit von seinem Dienstherrn auch freigestellt. Er erkundigte sich in diesem Schreiben nach der Möglichkeit, die private Krankenversicherung während des Auslandsaufenthaltes ruhen zu lassen, und teilte zugleich mit, er sei an einem Ruhen der privaten Pflegeversicherung nicht interessiert.
Mit Schreiben vom 2. August 1996 bot die Beklagte dem Kläger für die Dauer des Auslandsaufenthaltes eine Anwartschaftsversicherung an, um den Pflegeversicherungsschutz zu den alten Bedingungen aufrechtzuerhalten. Sie wies den Kläger darauf hin, bei der Rückkehr nach Deutschland könne der alte Tarif ansonsten nicht mehr in Anspruch genommen werden.
Zum 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001 verlegte der Kläger sodann tatsächlich seinen Wohnsitz in die USA. Er war in dieser Zeit von seinem Dienstherrn ohne Bezüge und ohne Beihilfeanspruch beurlaubt, ein privater Krankenversicherungsvertrag bestand fort. Dem Auslandsaufenthalt lag zugrunde, dass die Ehefrau des Klägers von ihrem französischen Dienstherrn in die USA entsandt worden war.
Am 17. August 2000 fragte der Kläger bei der Beklagten an, ob er bei einer Rückkehr nach Europa wieder nach seinem alten Tarif pflegeversichert werden könne und ob die Beklagte auch Leistungen für den Fall einer zukünftigen Wohnsitznahme des Klägers in Frankreich zusage. Mit Antwortschreiben vom 23. August 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er könne nur nach einem Tarif entsprechend § 110 Abs. 3 SGB XI versichert werden, d. h. nach vorangegangener Risikoprüfung und Abstufung nach Risikogruppen. Im Hinblick auf eine Wohnsitznahme des Klägers in Frankreich führte die Beklagte wörtlich aus:
Der Rechtsprechung bezüglich der Leistungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung bei einem Auslandsaufenthalt innerhalb der Staaten im EWR haben wir uns angeschlossen. Auf freiwilliger Basis erstatten wir das Pflegetagegeld bei festgestellter Pflegebedürftigkeit auch bei einem Aufenthalt im Ausland.
Am 6. September 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten ausdrücklich den Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages nach den ursprünglichen Vertragsbedingungen. Mit Schreiben vom 21. September 2000 lehnte die Beklagte dies gegenüber dem Kläger mit der Begründung ab, es handele sich nunmehr um einen Neuabschluss eines Pflegeversicherungsvertrages, so dass auch die Vertragsbedingungen für eine Neumitgliedschaft Anwendung zu finden hätten.
Nachdem der Kläger sich nunmehr an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen gewandt und das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen die Beklagte zu einer Stellungnahme aufgefordert hatte, verfasste die Beklagte unter dem 22. Dezember 2000 eine umfangreiche Stellungnahme an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen. Hierin führte die Beklagte aus, sie habe die Rechtslage neu geprüft und habe nunmehr die Vorschriften über die sozialversicherungsrechtliche Ausstrahlung entsprechend angewandt. Dies beruhe darauf, dass die Ehefrau des Klägers von ihrem Dienstherrn in das Ausland entsandt worden sei. Deshalb habe tatsächlich die Pflegepflichtversicherung unverändert fortbestanden, der Kläger gehöre weiterhin zum Kreis der nach den alten Bedingungen versicherten Personen. Mit Schreiben vom 16. Januar 2001 teilte daraufhin die Beklagte dem Kläger mit, seine Pflegepflichtversicherung werde rückwirkend zum 1. Januar 1997 wieder aktiv und beitragspflichtig geführt, weil ein Fall der sozialversicherungsrechtlichen Ausstrahlung vorliege. Deshal...