Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Europarechtskonformität
Leitsatz (amtlich)
Gegen den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bestehen keine europarechtlichen Bedenken.
Nachgehend
BSG (Urteil vom 29.11.2012; Aktenzeichen B 14 AS 66/12 R) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt für die Zeit vom 28. September 2007 bis zum 3. Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Die 1983 geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Tschechischen Republik. Am 15. November 2006 reiste sie in Deutschland ein und hält sich seither hier auf. Über eine Arbeitserlaubnis verfügte sie nicht. Seit dem 27. August 2007 besuchte sie im zweiten Bildungsweg die Hauptschule (Tagesschule) mit dem Ziel eines erweiterten Hauptschulabschlusses. Mit Wirkung ab dem 1. September 2007 meldete sie sich polizeilich unter der Anschrift ihres iranischen Lebensgefährten an, von dem sie ein Kind erwartete. Dieser befand sich seit dem 1. Dezember 2005 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Mit einer am 1. Oktober 2007 beim Beklagten eingegangenen Veränderungsmitteilung vom 28. September 2007 gab der Lebensgefährte bekannt, dass die Klägerin bei ihm eingezogen sei und weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge. Der Mitteilung waren unter anderem auch ein Antrag auf einen Mehrbedarf wegen Schwangerschaft und eine ärztliche Bescheinigung beigefügt, wonach der voraussichtliche Entbindungstermin der 00.00.2008 sei. Zudem wurde auch eine Bescheinigung der AOK Berlin vom 28. September 2007 vorgelegt, wonach die Klägerin dort seit diesem Tag Mitglied war. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 ab und gab zur Begründung an, die Klägerin sei von den Leistungen kraft Gesetzes ausgeschlossen. Sie sei rechtlich nicht als erwerbsfähig anzusehen, weil ihr die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt sei und auch nicht erlaubt werden könne. Die Klägerin sei auch deshalb von den Leistungen ausgeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht ausschließlich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben könne. Den am 31. Oktober 2007 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2007 unter Beibehaltung seiner Rechtsauffassung zurück.
Am 31. Oktober 2007 stellte die Klägerin bei dem Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der mit Beschluss vom 15. November 2007 (S 66 AS 27814/07 ER) abgelehnt wurde. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 20. Dezember 2007 (L 5 B 2073/07 AS ER) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, jedenfalls könne die Klägerin nicht als erwerbsfähig angesehen werden, weil sie nicht über eine Arbeitserlaubnis verfüge und ihr auch keine erteilt werden könne. Ob der Leistungsausschluss wegen des alleinigen Aufenthaltszwecks der Arbeitssuche mit dem Recht der Europäischen Union zu vereinbaren sei, könne offen bleiben.
Die Klägerin hat am 16. November 2007 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben und zur Begründung angegeben, der Leistungsausschluss wegen des Aufenthaltszwecks der Arbeitsuche sei europarechtswidrig. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass es sich bei dem Besuch der Tagesschule nach telefonischer Auskunft des Amtes für Ausbildungsförderung nicht um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung handle. Nach der am 4. Januar 2008 erfolgten Geburt des Kindes hat der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 1. Juni 2010 Leistungen für die Zeit ab dem 4. Januar 2008 gewährt. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Das Sozialgericht hat die im Übrigen aufrechterhaltene Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2011 abgewiesen. Die Klägerin sei hinsichtlich des noch streitigen Zeitraumes von den begehrten Leistungen ausgeschlossen, weil sie wegen fehlender Arbeitserlaubnis kraft Gesetzes nicht erwerbsfähig sei. Zudem unterliege sie einem weiteren Leistungsausschluss, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben könne. Dieser Leistungsausschluss unterliege auch keinen europarechtlichen Bedenken. Am 14. März 2011 hat die Klägerin hiergegen Berufung eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2007 zu verpflichten, ihr für die Zeit vom 28. September 2007 bis zum 3. Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren...