Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Vorliegen "derselben" Angelegenheit im Sinne des anwaltlichen Gebührenrechts. Einlegung von Widersprüchen für mehrere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft gegen getrennte Aufhebungs- und Erstattungsbescheide. einheitlicher Lebenssachverhalt. Erhöhungsgebühr
Orientierungssatz
Zum Vorliegen "derselben" Angelegenheit iS von § 15 Abs 2 S 1 RVG aF bei der Einlegung von selbstständigen Widersprüchen für mehrere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB 2 gegen gesondert ergangene Aufhebungs- und Erstattungsbescheide (vgl BSG vom 2.4.2014 - B 4 AS 27/13 R = SozR 4-1935 § 15 Nr 1).
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2017 abgeändert. Der Beklagte wird unter entsprechender Änderung seines Bescheides vom 1. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2013 dazu verurteilt, den Klägern für die Widerspruchsverfahren weitere 257,04 Euro zu erstatten.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern deren außergerichtliche Kosten für den gesamten Rechtsstreit zu 1/3 (in Worten: ein Drittel) zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Kostenerstattung für Widerspruchsverfahren.
Die Kläger bezogen von dem Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Unter dem 14. März 2013 erließ der Beklagte gegenüber den Klägern insgesamt drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide betreffend die Bewilligungsmonate August bis November 2012. Je ein Bescheid war an den Kläger zu 2. (Forderungssumme: 290,82 Euro) und an die Klägerin zu 3. gerichtet (Forderungssumme: 182,02 Euro), während ein dritter Bescheid an die Klägerin zu 1. (Forderungssumme: 387,11 Euro) gerichtet war, mit diesem Bescheid aber auch Leistungsrückforderungen der Kläger zu 4. (Forderungssumme: 232,55 Euro) und 5. (Forderungssumme: 110,62 Euro) verfügt wurden. Die Bescheide wurden jeweils identisch begründet mit Einkommenszuflüssen der Kläger (Einkommen der Klägerin zu 1. aus abhängiger Beschäftigung bei einem ambulanten Pflegedienst; Einkommen des Klägers zu 2. aus abhängiger Beschäftigung und Arbeitslosengeldbezug; Einkommen der Kläger zu 3. und 4. aus Schüler-BAföG).
Die Kläger legten durch ihren Prozessbevollmächtigten jeweils gesondert gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide Widerspruch ein. Die Widerspruchsschreiben vom 25. März 2013 waren wortgleich. Jeweils wurde gerügt, die Bescheide ließen nicht eindeutig erkennen, welches Mitglied der Bedarfsgemeinschaft in welcher Höhe Leistungen zu Unrecht erhalten habe und welcher Betrag von welcher Person zurückgefordert werde. Des Weiteren sei den Bescheiden nicht zu entnehmen, wie die vermeintliche Überzahlung zustande gekommen sein soll, so dass es den Rückforderungsbescheiden bereits an einer hinreichenden Begründung ermangele. Zudem seien die Kläger nicht angehört worden. Der Beklagte erließ unter dem 8. Mai 2013 einen Abhilfebescheid für alle drei Widerspruchsverfahren (), mit dem er die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14. März 2013 aufhob. Er verfügte außerdem, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten würden auf Antrag erstattet, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden. Dies gelte auch für die Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger forderte mit drei Schreiben jeweils vom 24. Mai 2013 von dem Beklagten die Kostenerstattung für die Widerspruchsverfahren. Für die Kläger zu 1., 4. und 5. verlangte er insgesamt 480,76 Euro, für den Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. jeweils 309,40 Euro. Dabei ging er jeweils von einer Geschäftsgebühr von 240,- Euro aus, die er in der Kostenrechnung für die Kläger zu 1., 4. und 5. um 60 Prozent erhöhte.
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 1. Juli 2013 setzte der Beklagte die zu erstattenden Kosten in den Widerspruchsverfahren auf 337,96 Euro fest und lehnte darüber hinaus die Kostenerstattungsanträge ab. Er bezifferte dabei die Geschäftsgebühr auf 264,- Euro. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, es handele sich bei den drei Vorverfahren um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), für die der Rechtsanwalt die Gebühr nur einmal fordern könne. Die Geschäftsgebühr betrage an sich nur 120,- Euro. Es sei nur kurz Widerspruch erhoben und Akteneinsicht begehrt und dazu der regelmäßige - hier aber nicht auf die konkreten Bescheide passende - Textbaustein verwendet worden. Diese Tätigkeit sei rechtlich sehr einfach und nicht umfangreich. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Widerspruchsführer seien schlecht. Da es sich um eine Angelegenheit mit Vertretung von vier weiteren Widerspruchsführern handele, sei die Gebühr allerdings um 120 Prozent zu erhöhen, so dass die Geschäftsgebühr um 144,- Euro zu erhöhen sei. Die Kläger legten gegen de...