Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung der Rechtsanwaltsgebühr bei dessen einheitlicher Tätigkeit für mehrere Auftraggeber
Orientierungssatz
1. Ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält die Gebühr nach § 7 Abs. 1 RVG nur einmal. Ausreichend ist, dass die Begehren mehrerer Auftraggeber einheitlich in demselben Verfahren geltend gemacht werden und zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht.
2. Auch bei Individualansprüchen nach dem SGB 2 handelt es sich grundsätzlich um dieselbe Angelegenheit i. S. des § 15 Abs. 2 RVG. Gleiches gilt auch, wenn die Angelegenheit verschiedene Gegenstände und teilweise getrennte Prüfaufgaben betrifft.
3. Eine getrennte Bescheidung durch den Leistungsträger hindert dies nicht. Soweit die jeweiligen Bescheide mit jeweils getrennten Widersprüchen vom Bevollmächtigten angegriffen werden, führt dies nicht zu mehreren Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinn. Die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft löst lediglich eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG aus.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 23. April 2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur weiteren Erstattung von Kosten aus insgesamt acht isolierten Vorverfahren.
Die Kläger bilden eine vierköpfige Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Klägerin zu 3) ist am 2001 geboren, die Klägerin zu 4) am 2007. Unter dem 12. Januar 2012 erließ der Beklagte gegenüber jedem Bedarfsgemeinschaftsmitglied einen gesonderten endgültigen Leistungsfestsetzsetzungsbescheid für den Zeitraum Juli bis Dezember 2010 und verfügte jeweils eine Erstattungsforderung. Gleichzeitig ordnete er in jedem dieser Bescheide die sofortige Vollziehung gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an. Ebenfalls mit vier Bescheiden gegenüber jedem der Bedarfsgemeinschaftsmitglieder setzte der Beklagte unter dem 13. Januar 2012 die monatlichen Leistungen für den Zeitraum Januar bis Juni 2011 endgültig fest und verfügte jeweils entsprechende Erstattungsbeträge. Auch hier ordnete er jeweils die sofortige Vollziehung der Bescheide an. Den endgültigen Festsetzungen lag die Überprüfung der Einkommensverhältnisse des Klägers zu 1) zugrunde. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger legte jeweils gesondert insgesamt acht Widersprüche gegen diese Entscheidungen ein. Hierzu reichte sie im Verwaltungsverfahren eine für alle vier Bedarfsgemeinschaftsmitglieder ausgestellte, auf die endgültigen Bewilligungsbescheide bezogene Vollmacht ein. Zeitgleich mit den Widersprüchen stellte sie den Antrag auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung der Bescheide.
Unter dem 13. Februar 2012, zur Post gegeben am 15. Februar 2012, erließ der Beklagte gegenüber jedem Bedarfsgemeinschaftsmitglied einen Bescheid über die Aufrechnung nach § 43 SGB II, mit dem die jeweils in den endgültigen Leistungsfestsetzungen festgestellten Erstattungsbeträge für den Zeitraum Januar 2011 bis Juni 2011 ab 1. März 2012 bis 31. Mai 2012 monatlich in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs aufgerechnet wurden. Mit Bescheiden vom 15. Februar 2012, zur Post gegeben ebenfalls an diesem Tag, erließ der Beklagte gegenüber jedem Bedarfsgemeinschaftsmitglied einen Bescheid über die Aufrechnung nach § 43 SGB II bezüglich der sich aus den endgültigen Leistungsfestsetzungsbescheiden für den Zeitraum Juli 2010 bis Dezember 2010 ergebenden Erstattungsbeträgen, mit denen jeweils für den Zeitraum Juni 2012 bis Dezember 2012 eine monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs erklärt wurde. In sämtlichen Aufrechnungsbescheiden ordnete der Beklagte wiederum die sofortige Vollziehung an.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2012 setzte der Beklagte die sofortige Vollziehung sowohl hinsichtlich der Festsetzungs-/Erstattungsbescheide als auch hinsichtlich der Aufrechnungsbescheide aus.
Die Prozessbevollmächtigte der Kläger legte gegen jeden Aufrechnungsbescheid gesondert Widerspruch ein. Dabei verwies sie in jedem Fall auf den gegen die Rückzahlungsverpflichtung eingelegten Widerspruch sowie auf die Aussetzungsentscheidung hinsichtlich der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Bescheide. Weiter überreichte sie jeweils eine Kopie des Widerspruchs gegen die entsprechenden Erstattungsverfügungen.
Mit acht Widerspruchsbescheiden, alle vom 4. Juni 2012, hob der Beklagte die jeweils angegriffene Aufrechnungsentscheidung auf und traf eine positive Kostengrundentscheidung.
Anschließend überreichte die Prozessbevollmächtigte der Kläger jeweils acht Kostennoten vom 18. Juni 2012, in denen sie pro Verfahren eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 520,00 Euro sowie eine Pauschale für Post und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 Euro, zuzüglich der Umsatzsteuer in Höhe von 19 %, damit...