Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Erhebung einer Ausgleichsumlage. Ausnahmetatbestand. Körperschaft des öffentlichen Rechts. gemeinnütziges Unternehmen. Auslegung: Gemeinnützigkeit
Leitsatz (amtlich)
Der Begriff der Gemeinnützigkeit in § 180 SGB 7 ist unfallspezifisch auszulegen. Durch die Verwendung des Begriffs "gemeinnützig" wird nicht in die Abgabenordnung -AO- verwiesen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. August 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin zur Ausgleichslast gemäß §§ 176 ff. Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII) für das Jahr 2007.
Mit einem als “Anhörung„ bezeichneten Schreiben vom 18. Februar 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass diese von ihr bisher nicht zur Umlage am Lastenausgleich zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften herangezogen worden sei. Die Klägerin gehöre nicht zu den von der Zahlung befreiten Unternehmen, da sie kein gemeinnütziges Unternehmen im Sinne des § 180 Satz 3 SGB VII sei. § 180 Satz 3 SGB VII knüpfe an die Regelungen im Steuerrecht (Abgabenordnung - AO -) an. Die dort genannten Voraussetzungen zur Zuerkennung der Gemeinnützigkeit erfülle die Klägerin nicht.
Mit Beitragsbescheid vom 21. April 2008 für das Jahr 2007 erhob die Beklagte nicht nur die Beiträge aufgrund der bei der Klägerin angefallenen Bruttoarbeitsentgelte, sondern auch einen Anteil am Lastenausgleich der gewerblichen Berufsgenossenschaften in Höhe von 719 346,24 €. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, nach der der Bescheid bindend werde, wenn nicht binnen eines Monats nach seiner Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift bei der Beklagten Widerspruch erhoben worden sei.
Am 29. April 2008 erhob die Klägerin Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2008, abgesandt am 13. Juli 2008, zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, der Gesetzgeber bezwecke mit den in den §§ 51 ff. AO enthaltenen Regelungen eine Besserstellung nicht-staatlicher Einrichtungen bzw. Unternehmen u. a. im Bereich der Gesundheits- und Wohlfahrtspflege, die aus ideellen Erwägungen ihrer Betreiber, d. h. ohne einen sonstigen (wirtschaftlichen) Vorteil daraus zu ziehen, als Teil des öffentlichen Systems der sozialen Sicherung zum Allgemeinwohl tätig würden. Damit aber unterschieden sich diese Einrichtungen in ihrer Zielsetzung wesentlich von nicht-gemeinnützigen Unternehmen, deren Betreiber in erster Linie das Ziel verfolgten, Gewinn zu erzielen. Aus diesem Unterschied ergäben sich zwangsläufig Unterschiede finanzieller und organisatorischer Art. Die Klägerin sei eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Als Träger der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung nehme sie in Ausübung öffentlicher Gewalt ihre Aufgaben nach dem SGB VII wahr. Sie sei danach keine nicht-staatliche Einrichtung und deshalb auch nicht von den §§ 51 ff. AO tatbestandlich erfasst, so dass die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nicht gegeben seien.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit der Klage vom 15. August 2008 zum Sozialgericht Berlin gewandt und geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Körperschaftssteuerzahlung lägen zu ihren Gunsten gemäß § 1 i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Körperschaftssteuergesetz nicht vor. Folglich könnten die Finanzämter auch keine Bescheinigung über ihre Gemeinnützigkeit ausstellen, da sie insoweit schon grundsätzlich nicht dem Regelungsbereich der AO unterfalle. Der Prüfung einer steuerrechtlichen Privilegierung durch die §§ 51 ff. AO hätte es schon deshalb nicht bedurft, weil die Klägerin schon grundsätzlich nicht steuerpflichtig sei und insoweit nicht der Privilegierung bedürfe. Die Beklagte habe bei der Auslegung des Begriffes “gemeinnütziges Unternehmen„ im Sinne des § 180 Satz 3 SGB VII eine systematisch unzutreffende Schlussfolgerung gezogen, indem sie nämlich über die Auslegungshilfe der §§ 51 ff. AO das Tatbestandsmerkmal “nicht-staatliche Einrichtung„ zusätzlich in den Gesetzestext hineingelesen habe, obwohl diese Voraussetzung in dem dort genannten Kontext nur zur Abschichtung gegenüber Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht diene, zu denen sie offensichtlich nicht gehöre. Von der Systematik her gebe es sowohl staatliche als auch nicht-staatlich gemeinnützige Unternehmen. Während sich bei den nicht-staatlichen Unternehmen die Frage des Gemeinnutzes über die §§ 51 ff. AO beantworten ließe, gelte dies für die staatlichen Unternehmen auch, ohne jedoch noch zusätzlich das Tatbestandsmerkmal “nicht-staatlich„ prüfen zu müssen. Soweit die Regelungen der AO zur Gemeinnützigkeit heranzuziehen seien, könne es nicht fraglich sein, dass die Klägerin gemeinnützigen Zwecken diene. Die Durchführung und Organisat...