Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die der Arbeitsagentur bei der Bewilligung eines Gründungszuschusses eingeräumte Ausübung von Ermessen
Orientierungssatz
1. Bei der Ermessensentscheidung der Agentur für Arbeit über einen beantragten Gründungszuschuss nach § 93 Abs. 1 SGB 3 ist der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten. Danach kann der Gründungszuschuss nur dann gewährt werden, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung in das Arbeitsleben erforderlich ist, § 4 Abs. 2 SGB 3; d. h. wenn die Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt.
2. Bestehen aufgrund der Ausbildung und der bisherigen beruflichen Tätigkeit des Arbeitslosen hinreichende Vermittlungschancen, sodass der Betroffene in absehbarer Zeit ohne die Förderung einer selbständigen Tätigkeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann, so macht der Leistungsträger von dem ihm eingeräumten Ermessen in zulässiger Weise Gebrauch, wenn er die Bewilligung eines Gründungszuschusses versagt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung eines Gründungszuschusses (GZ) für den Betrieb eines Imbissstandes.
Der 1982 geborene Kläger verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als Kaufmann (Groß- und Außenhandel). Vom 1. Dezember 2014 bis zum 30. November 2015 absolvierte er eine Weiterbildung zum Finanzanlagenfachmann / Versicherungsfachmann bei der Allianz. Dort war er anschließend bis zur Kündigung zum 30. April 2017 versicherungspflichtig beschäftigt. Der Kläger meldete sich mit Wirkung vom 1. Mai 2017 arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 6. Mai 2017 Arbeitslosengeld (Alg) für die Dauer von 360 Kalendertagen ab dem 1. Mai 2017.
Bereits am 31. März 2017 hatte der Kläger der Beklagten mitgeteilt, dass er beabsichtige, sich mit einem Imbiss in Oberschöneweide selbständig zu machen. Am 27. April 2017 stellte er den Antrag auf einen GZ für die Aufnahme einer entsprechenden selbständigen Tätigkeit und legte Businessplan („Der bewusste Imbiss“), Kapitalbedarfsplan, Rentabilitätsvorschau, Liquiditätsplan, Finanzierungsplan und Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vor. Er trug vor, Gespräche mit Banken zur Finanzierung seines Gründungsvorhabens zu führen. Bereits am 7. April 2017 hatte er eine Vereinbarung mit der D S GmbH über das Betreiben eines Verkaufsstandes (Speisen, nichtalkoholische Getränke) auf dem Gelände von D (Filiale S) geschlossen. Einen Anhänger mit diversen gastronomischen Einbauten erwarb der Kläger am 12. Mai 2017. Am 18. Mai 2017 meldete er ein Gewerbe „Imbiss: Verkauf von Currywurst, Pommes, diverser Saucen, Eis und alkoholfreie Getränke“ und am 22. Mai 2017 die Tätigkeit „Verwaltung gastronomischer Betriebe (Imbiss)“, jeweils zum 12. Juni 2017, an.
Die Beklagte lehnte den GZ-Antrag mit Bescheid vom 15. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2017 ab mit der Begründung, die Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis habe Vorrang. Für die Tätigkeiten als Versicherungskaufmann seien in der Versicherungsbranche am 25. Oktober 2017 27 offene Stellen gemeldet. Die Trefferzahl sei noch sehr viel höher, wenn auch alternative kaufmännische Berufe und Personaldienstleister mitberücksichtigt würden. Die Arbeitslosigkeit hätte daher auch ohne Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit beendet werden können. Die vom Kläger angeführten ethischen Gründe, die aus seiner Sicht gegen eine weitere Tätigkeit in der Versicherungsbranche sprächen, führten nicht zu einem anderen Ergebnis. Eine Ausbildung als Versicherungskaufmann biete auch Tätigkeitsmöglichkeiten im Innendienst oder in anderen Büroberufen. Gesundheitliche Einschränkungen habe der Kläger in der Zeit seiner Arbeitslosigkeit vom 1. Mai 2017 bis zum 28. Juni 2017, in der ihm insgesamt sieben Vermittlungsvorschläge unterbreitet worden seien, nicht geltend gemacht. Der Kläger betreibt sein Imbissgewerbe seit dem 29. Juni 2017; zwischenzeitlich (Stand: Oktober 2019) verfügte er über drei Imbisswagen und hatte 23 Angestellte.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Neubescheidung des GZ-Antrages unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtete Klage nach Durchführung eines Erörterungstermins mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2020 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte habe die Gewährung eines GZ ermessensfehlerfrei abgelehnt. Es sei nicht zu beanstanden, dass sie angesichts der beachtlichen Berufserfahrung des Klägers sowohl als Kaufmann als auch als Versicherungsfachmann den Vermittlungsvorrang berücksichtigt habe, zumal Vermittlungshindernisse bei dem Kläger nicht ersichtlich seien. Bezüglich der vom Kläger angeführten ethischen und psychischen Gründe, die ihn persönlich an eine...