Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Ermittlung des Pflegebedarfs. Berücksichtigung von Fahr- und Wartezeiten einer Begleitperson anlässlich von Therapiebesuchen. Kind. Jugendlicher. Alter

 

Orientierungssatz

Zur Berücksichtigung von Fahr- und Wartezeiten einer Begleitperson anlässlich von Therapiebesuchen bei Kindern und Jugendlichen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2012 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 13. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juni 2010 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 13. Januar bis zum 17. März 2010 und vom 20. April bis 22. Juni 2010 Pflegegeld der Pflegestufe 1 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung in Form eines Pflegegeldes der Pflegestufe I ab dem 1. Mai 2009.

Die 1996 geborene Klägerin leidet an einem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, einer Lernbehinderung und zwischenzeitlich an einem leichten bis mittelgradigem depressiven Syndrom mit emotionaler Instabilität und Selbstverletzung (Ritzen) sowie einer Kopfschmerzsymptomatik.

Die Klägerin lebte ursprünglich mit ihren Eltern und Geschwistern in B und besuchte dort diverse schulische Einrichtungen. Zu ihren Gunsten wurde durch die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung B vom 4. Juni 2009 ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. Im Frühjahr 2011 verzog die Klägerin mit ihren Eltern und einem Bruder nach D in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Klägerin beantragte am 1. Mai 2009 die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung in Form eines Pflegegeldes und gab als Pflegepersonen ihre Eltern an.

Die mit der Erstattung eines Pflegegutachtens beauftrage Pflegefachkraft C B des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MdK) gelangte nach körperlicher Untersuchung der Klägerin in der häuslichen Umgebung vom 12. Juni 2009 in ihrem Gutachten vom 15. Juni 2009 zu der Einschätzung, dass ein wöchentlich im Tagesdurchschnitt bestehender Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von 31 Minuten (13 Minuten Körperpflege, 3 Minuten im Bereich der Ernährung für die mundgerechte Zubereitung der Mahlzeiten und 15 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 30 Minuten bestehe. Dabei berücksichtigte die Gutachterin für eine notwendige Begleitung und Anwesenheit einer Hilfsperson zu durchgeführten Logopädien einen wöchentlich im Tagesdurchschnitt bestehenden Hilfebedarf von 10 Minuten im Bereich der Mobilität.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I, weil sie nicht erheblich pflegebedürftig sei. Denn ein wöchentlich im Tagesdurchschnitt anfallender Pflegebedarf von mindestens 90 Minuten, wobei mehr als 45 Minuten auf die Grundpflege entfallen müssten, läge nach den medizinischen Feststellungen nicht vor.

Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 30. Juli 2009 wurde die Klägerin erneut durch den MdK begutachtet. Die mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Pflegefachfachkraft G. G gelangte nach körperlicher Untersuchung der Klägerin in deren häuslichen Umgebung vom 16. November 2009 in ihrem Gutachten vom 23. November 2009 zu der Einschätzung, dass der wöchentlich im Tagesdurchschnitt bestehende Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege 38 Minuten (14 Minuten im Bereich der Körperpflege, 3 Minuten im Bereich der Ernährung für die mundgerechte Zubereitung der Mahlzeiten und 21 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 30 Minuten betrage. Für anfallende Termine zur Logopädie berücksichtigte sie im Bereich der Mobilität dabei einen wöchentlich im Tagesdurchschnitt anfallenden Hilfebedarf von 15 Minuten.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2010 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin hat das Gericht die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Die Sachverständige gelangte nach körperlicher Untersuchung der Klägerin in der häuslichen Umgebung vom 15. Februar 2011 in ihrem Gutachten vom 16. Februar 2011 nebst ergänzender Stellungnahme vom 14. April 2011 zu der Einschätzung, dass ein Hilfebedarf im Wesentlichen in der Form von Impulsgaben bestehe. Im Falle der Klägerin sei deswegen ein wöchentlich im Tagesdurchschnitt bestehender Hilfebedarf in der Grundpflege von 39 Minuten (16 Minuten Körperpflege und 23 Minuten im Bereich der Mobilität) sowie von 30 Minuten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich. Für die Begleitung zu Terminen zur Logopädie und zur Ergotherapie (letztere seit Januar 2010) berücksichtigte die Sachverstän...

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