Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Begleitung der Hilfsperson zum Arztbesuch und zur Krankengymnastik beim Hilfebedarf für die Mobilität
Orientierungssatz
1. Übersteigt bei Berücksichtigung des Hilfebedarfs beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung im Bereich der Mobilität den Gesamthilfebedarf in der Grundpflege im Tagesdurchschnitt 45 Minuten, so sind bei einem Gesamthilfebedarf von 90 Minuten pro Tag Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe 1 zu gewähren.
2. Die Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung ist zu berücksichtigen, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, d. h. Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden. Erforderlich ist insoweit die regelmäßig erforderliche Begleitung zu einem wöchentlichen Arztbesuch.
3. Auch die Hilfe durch regelmäßige Begleitung zur Krankengymnastik zählt unter den gleichen Voraussetzungen als Hilfe bei der Mobilität. Erforderlich ist insoweit, dass die Krankengymnastik der Behandlung einer Krankheit dient und nicht die Verbesserung der Fähigkeit zu eigenständiger Lebensführung im Vordergrund steht.
4. Ausreichend ist, dass die physiotherapeutische Behandlung zur Besserung einer Krankheit führen soll. Maßnahmen der sozialen oder beruflichen Rehabilitation sind dagegen nicht zu berücksichtigen. Berücksichtigungsfähig ist nicht nur die notwendige Begleitung auf dem Hin- und Rückweg, sondern auch die Wartezeit der Pflegeperson für den Mobilitätsbedarf, wenn die Pflegeperson während dieser Zeit keiner anderen Tätigkeit nachgehen kann.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I für den Zeitraum ab Dezember 2006.
Die 1939 geborene Klägerin erlitt im August und September 2009 zwei Hirninfarkte, die eine brachiofaciale schlaffe Hemiparese rechts, eine Facialisparese rechts, Aphasie, teilweise Apraxie zur Folge hatten. Ferner besteht der Verdacht auf Durchblutungsstörungen in den Beinen mit Einschränkung der Gehstrecke. Ende 2006 traten LWS- Beschwerden auf, die in beide Beine ausstrahlen. Nach der stationären Akut-Behandlung befand die Klägerin sich bis Anfang Dezember 2006 in stationärer Reha- Behandlung.
Die Klägerin wohnt im 3. Stock eines Altbaus in der Wstraße 6 in B. Seit Anfang 2007 sucht sie in Begleitung ihrer Pflegeperson regelmäßig einmal in der Woche die Allgemeinmedizinerin Dr. L in deren Praxis Wstraße 31 (Eingang Pstraße 58) auf, die ca. 170 m von ihrer Wohnung entfernt ist. Zur Behandlung der genannten Leiden wurde der Klägerin ärztlicherseits Krankengymnastik verschrieben, die sie seit dem 8. Dezember 2006 durchschnittlich zweimal in der Woche in der 190 m entfernten Praxis von G L in der Pstraße 49 wahrnimmt. In diesen Räumen wird bei der Klägerin aufgrund ärztlicher Verschreibung seit dem 14. Februar 2008 einmal in der Woche auch eine Lymphdrainage durchgeführt. Ferner erhält seit Oktober 2007 zweimal in der Woche in der 190 m entfernten Praxis Ph ergotherapeutische Behandlung, die ärztlich verschrieben wurde.
Mit Bescheid vom 23. August 2007 stellte das Landesamt für Gesundheit und Soziales - Versorgungsamt - bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 70 bei folgenden Funktionsbeeinträchtigungen
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a) Durchblutungsstörung des Gehirns, Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Teillähmung des Armes rechts, Hirnschädigung mit Sprachstörung, arterielle Verschlusskrankheit der Halsschlagader links, operierte arterielle Verschlusskrankheit, Hirnschädigung mit Gangstörung, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, |
b) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden |
sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen “G„ - erheblich gehbehindert - und “B„ - Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson - fest.
Am 19. Dezember 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Pflegegeld. Diese holte daraufhin das MDK-Gutachten der Pflegefachkraft M vom 8. Februar 2007 ein, die eine erhebliche Pflegebedürftigkeit der Klägerin verneinte: Der tägliche Hilfebedarf in der Grundpflege betrage 29 Minuten; der Zeitbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung umfasse 45 Minuten pro Tag. Auf die Einwände der Klägerin veranlasste die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des MDK vom 29. März 2007, der das Gutachten bestätigte. Hierbei wurde davon ausgegangen, dass der Hilfebedarf beim Aufsuchen der Krankengymnastik nicht auf Dauer erforderlich sei. Den gutachtlichen Empfehlungen folgend lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 5. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2007 ab.
Mit der bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat das Gutac...