Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Zeitaufwandes für Arztbesuche beim Pflegeaufwand in der Grundpflege

 

Orientierungssatz

1. Die Zuordnung zur Pflegestufe 1 setzt voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Dabei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen.

2. Der berücksichtigungsfähige Zeitaufwand für die Leistungen der Grundpflege durch Besuche bei Ärzten und Physiotherapeuten ist als Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung nur dann zu berücksichtigen, wenn diese erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, d. h. Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden. Hilfen, die nicht regelmäßig mindestens einmal pro Woche anfallen, zählen hierbei nicht zum berücksichtigungsfähigen Pflegeaufwand.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I.

Bei dem 1941 geborenen Kläger bestehen nach einer Kinderlähmung seit 1942 eine Lähmung am rechten Bein mit Muskelschwund, eine Beinverkürzung und eine Wirbelsäulenverkrümmung. Im Januar 2004 erlitt er bei einem Sturz einen Oberschenkenbruch, der operativ versorgt wurde. Bis zum 10. März 2004 unterzog er sich einer Reha-Behandlung.

Der Kläger beantragte am 1. Juni 2004 bei der Beklagten Pflegegeld. Diese holte daraufhin das MDK-Gutachten der Pflegefachkraft B vom 19. Oktober 2004 ein, die eine erhebliche Pflegebedürftigkeit verneinte: Der tägliche Hilfebedarf in der Grundpflege betrage 11 Minuten, der Zeitbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung umfasse 45 Minuten pro Tag. Dem Gutachten folgend lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28. Oktober 2004 ab. Auf den Widerspruch des Klägers veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung durch den MDK. Die Pflegefachkraft Z ermittelte im Gutachten vom 16. August 2005 einen Zeitaufwand in der Grundpflege von 23 Minuten pro Tag. Unter Bezugnahme auf die Gutachten wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2005 zurück.

Mit der bei dem Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte das Gutachten der Diplom-Pflegepädagogin L vom 24. September 2007 eingeholt, die für den Zeitraum von 2004 bis 2006 einen täglichen Zeitaufwand für die Grundpflege von 38 Minuten und für die hauswirtschaftlichen Verrichtungen von 53 Minuten ermittelt hat. Im Einzelnen betrage der Zeitbedarf im Bereich der

Körperpflege:

1 x täglich Teilübernahme bei der Teilwäsche des Oberkörpers

5 min./Tag

1 x täglich Teilübernahme bei der Teilwäsche des Unterkörpers

5 min./Tag

1 x wöchentlich Teilübernahme beim Baden

3 min./Tag

2 x täglich Teilübernahme bei der Zahnpflege

1 min./Tag

1 x täglich Teilübernahme beim Rasieren

1 min./Tag

2 x täglich Unterstützung beim Richten der Bekleidung

1 min./Tag

1 x täglich Vollübernahme Wechsel/Entleerung Urinbeutel/Toilettenstuhl

2 min./Tag

Ernährung:

1 x täglich Teilübernahme bei der mundgerechten Zubereitung

6 min./Tag

Mobilität:

1 x täglich Teilhilfe beim Aufstehen/Zubettgehen

2 min./Tag

1 x täglich Teilhilfe beim Ankleiden

5 min./Tag

1 x täglich Teilhilfe beim Entkleiden

3 min./Tag

3 x täglich Teilhilfe beim Gehen

3 min./Tag

1 x wöchentlich Teilhilfe beim Wannentransfer oder alternativ

1 x wöchentlich Teilhilfe beim Treppensteigen zur Nutzung der Dusche

1 min./Tag.

Die Sachverständige hat ferner festgestellt, dass der Hilfebedarf in der Grundpflege sich durch die erfolgreichen Reha-Maßnahmen und die physiotherapeutische Unterstützung ab 2007 auf 4 Minuten täglich reduziert habe

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Juli 2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass der Kläger nicht erheblich pflegebedürftig sei. Zutreffend habe die Gutachterin unter Würdigung der Ressourcen des Klägers und Beachtung seiner eigenen Erklärungen zur Pflegesituation für den Zeitraum von 2004 bis 2006 den täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege bei der Körperpflege mit 18 Minuten, bei der Ernährung mit 6 Minuten und bei der Mobilität mit 14 Minuten, also insgesamt mit 38 Minuten, festgestellt.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Arztes Dr. Sch vom 9. April 2010 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 6. August 2010 und vom 2. November 2010. Der Sachverständige hat eine erhebliche Pflegebedürftigkeit des Klägers verneint, da der tägliche Hilfebedarf in der Grundpflege bei der Körp...

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