Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessvergleich. Wiederaufnahme eines Verfahrens. Anfechtung wegen Irrtums. Prozesshandlung. Materiell-rechtlicher Vertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Kläger kann einen ordnungsgemäß geschlossenen gerichtlichen Vergleich nicht mit der Begründung anfechten, er habe sich über dessen wirtschaftliche Auswirkungen geirrt.

 

Orientierungssatz

1. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er ist sowohl materiell-rechtlicher Vertrag als auch Prozesshandlung. Letztere beendet den Rechtsstreit unmittelbar. Die Wirksamkeit richtet sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts.

2. Eine Prozesshandlung kann nur unter engen Voraussetzungen widerrufen werden. U. a. dann, wenn ein Wiederaufnahmegrund vorliegt oder wenn sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Festhalten an der Prozesshandlung verbietet.

3. Soweit sich ein am Vergleich Beteiligter über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Vergleichs geirrt hat, handelt es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum.

4. Liegen Gründe für eine Unwirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs nicht vor, so ist eine Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens nicht möglich. Die Entscheidung beschränkt sich auf die prozessuale Feststellung, dass das Verfahren durch den abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich beendet ist.

 

Normenkette

SGG § 101 Abs. 1; ZPO §§ 81, 85, 160a, 162; BGB §§ 119, 164-165

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 3 U 60/04*16 durch den gerichtlichen Vergleich vom 17. Dezember 2007 beendet ist.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Rechtsstreit L 3 U 60/04*16 durch gerichtlichen Vergleich vom 17. Dezember 2007 beendet worden ist.

Der 1942 geborene Kläger rutschte am 04. November 2001 während seiner bei der Beklagten versicherten Berufstätigkeit als Eisenflechter bei der Firma A F Baustahlarmierungen beim Tragen von Eisenstangen auf den nassen Holzplanken der Einschalung aus und stürzte aus einer Höhe von ca. 2,00 - 2,50 m auf den Betonboden, wobei er auf die linke Körperseite fiel (vgl. Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 21. November 2001). Anlässlich der bei der Erstuntersuchung im Krankenhaus R durchgeführten Röntgenuntersuchungen der linken Schulter (Bericht des Durchgangsarztes Dr. S vom 05. November 2001) zeigte sich eine knöcherne Absprengung am Tuberculum majus, in der Magnetresonanztomographie (MRT) vom 08. November 2001 zusätzlich eine Ruptur im Supraspinatus und eine teilweise Ruptur im Muskulus infraspinatus, des Weiteren ein ausgedehnter Gelenkerguss und ein Hämatom. Die daraufhin im M-L-Krankenhaus durchgeführte diagnostische Arthroskopie am 18. Dezember 2001 ergab im gesamten Gelenkbereich eine mäßiggradige Synovitis, kleinere degenerative Knorpelschäden im Pfannenbereich und im Schulterdach eine große, ca. 2 x 4 cm messende Defektzone im Bereich der Rotatorenmanschette (vgl. ärztlicher Zwischenbericht des Prof. Dr. H vom 07. Januar 2002 und OP-Bericht des Dr. med. C vom 18. Dezember 2001). Die histologische Untersuchung der diesem Bereich entnommenen Gewebsproben führte zur Annahme einer mittelgradigen chronischen Bursitis, die Rotatorenmanschette wies eine deutliche chondroide Metaplasie und herdförmige chondroide Degeneration sowie Zeichen einer mehrzeitigen älteren, reparativ veränderten, aber auch frischeren Ruptur - nach klinischen Angaben Ruptur vor 5 Wochen - auf (vgl. Bericht des Facharztes für Pathologie Dr. U vom 18. Dezember 2001). Zum Unfallzusammenhang teilte Prof. Dr. H der Beklagten mit Schreiben vom 30. Januar 2002 mit, dass eine degenerative Vorschädigung im Sinne einer stummen Schadensanlage der Supraspinatussehne bestanden habe und das Unfallereignis mit direkter Prellung der Schulter nicht geeignet gewesen sei, eine gesunde Rotatorenmanschette zu zerreißen. Da es sich jedoch um einen Sturz aus 2,20 m Höhe gehandelt habe, die Rotatorenmanschette zusammen mit einem kleinen knöchernen Fragment ausgerissen sei und degenerative knöcherne Ausrisse dieser Art nicht vorkämen, handele es sich wohl doch um ein anzuerkennendes Unfallereignis.

Nach einer weiteren Nachuntersuchung des Klägers teilte Prof. Dr. H mit Schreiben vom 26. März 2002 mit, dass die besondere Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten am 25. März 2002 abgeschlossen sei. Das jetzt noch bestehende Funktionsdefizit im Bereich der linken Schulter sei als Operationsfolge anzusehen und damit kassenärztlich weiterzubehandeln.

Mit Bescheid vom 27. August 2002, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 27. September 2002, lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 04. November 2001 ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Grade über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus gemindert sei. Ein Anspruch auf Verletztengeld ab dem 26. März 2002 bestehe ebenso wenig. Nach der Schulterprellung mit knöchernem Ausriss am Oberarmhöcker links seien keine Unfallfolgen verblieben. Die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit ab d...

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