Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Kosten der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem getrennt lebenden Kind. Fahrkosten. Einsparmöglichkeiten. Zumutbarkeit der Verweisung auf Fahrrad und Fußwege. Kosten der Freizeitgestaltung
Leitsatz (amtlich)
1. Da Grund- und Oberschüler in Berlin ab einem Schulweg von mehr als 1 bzw 2 Kilometern Anspruch auf ein ermäßigtes Schülerticket haben, sind darüber hinausgehende Fußwege iS des Umgangsrechts nicht zumutbar. Dementsprechend kann auch das hilfebedürftige Elternteil nicht auf diese Fußwege verwiesen werden.
2. Im Grundsatz ist es einem vollschichtig leistungsfähigem, nicht schwerbehinderten erwachsenen Hilfebedürftigen aber zumutbar, Wege von 3 - 4 Kilometern zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen.
3. Leistungsempfänger müssen sich im Rahmen des Umgangsrechts ebenso wie Leistungsempfänger, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Kind leben, bei der Freizeitgestaltung auf die aus dem Regelsatz folgenden Möglichkeiten verweisen lassen. Die Freizeitgestaltung mit einem Kind begründet keinen Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB II.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2015 und die Bescheide des Beklagten vom 28. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2011, in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. November 2011 und vom 5. Januar 2012, abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum August 2011 bis Januar 2012 einen Mehrbedarf in Höhe von 24,66 Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger 1/6 seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger im Rahmen der Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem 1999 geborenen Sohn ein Mehrbedarf (Fahrtkosten und sonstige Kosten) im Zeitraum August 2011 bis Januar 2012 zusteht.
Der 1953 geborene Kläger ist nach dem Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 5. Mai 2008 berechtigt und verpflichtet, mit seinem bei der Mutter am S in B wohnenden Sohn N an jedem Mittwoch in der Zeit von 15.00 Uhr - in den Schulferienzeiten bereits ab 14.00 Uhr - bis 19.30 Uhr und an jedem zweiten und vierten Wochenende im Monat jeweils am Sonnabend und am Sonntag in der Zeit von jeweils 10.00 bis 18.00 Uhr zusammen zu sein. Weiter ist der Kläger nach diesem Beschluss verpflichtet, das Kind bei der Mutter an deren Wohnung abzuholen und zu dieser zurückzubringen. Nach den Angaben des Klägers hat er den derart festgelegten Umgang mit seinem Sohn im streitgegenständlichen Zeitraum an insgesamt 50 Tagen ausgeübt. Er hat für die Wege sein eigenes Kfz genutzt.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2011 bewilligte der Beklagte dem allein lebenden Kläger für den Zeitraum August 2011 bis Januar 2012 einen monatlichen Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 364,00 Euro und monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 529,80 Euro sowie einen Zuschuss nach § 26 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu seiner Kranken- und Pflegeversicherung. Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2011 bewilligte er dem Kläger für den Monat Januar 2012 einen monatlichen Regelsatz in Höhe von 374,00 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 5. Januar 2012 setzte er eine Änderung im Rahmen der Pflegeversicherung des Klägers um. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 28. Juni 2011, mit dem der Kläger u. a. einen Mehrbedarf aus der Umgangsverpflichtung mit seinem Sohn geltend machte, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 als unbegründet zurück.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 20. Januar 2015 ab. Zur Begründung führte es aus, dass die bei dem Kläger anfallenden Lebenshaltungskosten seines Sohnes allenfalls Ansprüche des Sohnes begründen würden. Der Sohn des Klägers sei jedoch nicht Beteiligter des Klageverfahrens. Die den Kläger selbst betreffenden Belastungen in diesem Zusammenhang seien Bestandteil der Regelleistung. Soweit zwischen den Beteiligten die Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts streitig seien, handele es sich zwar um einen laufenden Mehrbedarf im Einzelfall, dieser sei jedoch nicht unabweisbar. Dem Kläger sei es zumutbar, die fußläufig 3,1 km lange Strecke zwischen seiner Wohnung und der Wohnung des Sohnes mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen. Im Übrigen könne er sich der öffentlichen Verkehrsmittel bedienen. Für die hierfür notwendigen drei Stationen genüge ein Kurzstreckenticket der BVG, das im verfahrensgegenständlichen Zeitraum 1,40 Euro gekostet habe. Es sei dem Kläger zumutbar, diese geringen Mobilitätskosten aus dem Regelbedarf zu finanzieren. Der geltend gemachte Mehrbedarf sei insofern nicht erheblich. Selbst bei Anschaffung eines Sozialtickets, das Kosten in Höhe von 33,50 Euro verursache, liege der Mehrbedarf des Klägers unter Berücksichtigung der im Regelsatz e...