Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Umgangskosten. Fahrkosten für Besuch des getrennt lebenden Kindes. Bagatellgrenze
Orientierungssatz
Ein geltend gemachter Anspruch auf einen Mehrbedarf gem § 21 Abs 6 SGB 2 iVm § 5 Abs 1 BRKG für Fahrkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit dem getrennt lebenden Kind in Höhe von monatlich 27 Euro kann nicht durch Anwendung einer Bagatellgrenze abgelehnt werden.
Nachgehend
Tatbestand
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 23.02.2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für den Berufungsrechtszug zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Kläger begehrt die Übernahme von Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter durch den Beklagten im Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 30.11.2010. Der Beklagte verneint einen Anspruch, weil seiner Auffassung nach eine Bagatellgrenze in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs zu berücksichtigen sei.
Der 1967 geborene Kläger ist ledig. Er bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bewilligungsbescheid vom 27.04.2010 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Monat Juni 2010 Leistungen in Höhe von 657,14 Euro und für die Zeit vom 01.07.2010 bis zum 30.11.2010 Leistungen in Höhe von monatlich 696,00 Euro. Die Leistungen ab Juli 2010 setzten sich aus der Regelleistung in Höhe von 359,00 Euro und den tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 337,00 Euro zusammen.
In der streitigen Zeit vom 01.07.2010 bis zum 30.11.2010 verbrachte der Kläger jeden zweiten Samstag mit seiner am 00.00.2006 geborenen Tochter, die er jeweils um 12 Uhr bei ihrer Mutter abholte und dorthin um 17 Uhr wieder zurückbrachte. Hierfür musste er jeweils eine einfache Fahrtstrecke von ca.17 km zurücklegen.
Bis zum 30.06.2010 hatte der Kläger von der Stadt C (Sozialamt) gemäß § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter erhalten. Mit Schreiben vom 11.06.2010 teilte die Stadt C dem Kläger mit, dass sie die Zahlungen zum 30.06.2010 einstellen werde; ab dem 01.07.2010 sei der Beklagte für die Übernahme von Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts zuständig.
Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 11.06.2010 die Antragsunterlagen zugesandt hatte, beantragte der Kläger am 08.07.2010 bei dem Beklagten einen laufenden, nicht vermeidbaren, besonderen Bedarf zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter und teilte mit, dass bei ihm monatlich gleichbleibende Kosten in Höhe von 35,00 Euro anfielen. Er fügte seinem Antrag eine Bestätigung der Umgangspflegerin vom 05.07.2010 bei, die bescheinigte, dass der Kläger regelmäßig alle zwei Wochen am Samstag in der Zeit von 12 bis 17 Uhr Umgang mit seiner Tochter habe. Seit dem 01.07.2010 lebe die Tochter in der F 00 in C. Dort hole der Kläger sie ab und bringe sie nach dem Umgang wieder zurück.
Der Kläger übte in der Zeit vom 20.07.2010 bis Ende September 2010 eine geringfügige Beschäftigung bei der I GmbH aus. Der Aushilfslohn betrug nach den Abrechnungen für August und September 2010 jeweils 31,50 Euro, nach der Abrechnung für Oktober 2010 112,10 Euro.
Mit Bescheid vom 08.07.2010 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er aus, ein Sonderbedarf könne nicht erbracht werden, da die begehrten monatlichen Zahlungen unterhalb der Grenze von 10% der Regelleistung lägen. Die Entfernung zum Wohnort der Tochter betrage 17,02 km. Der Kläger lege diese Strecke an zwei Samstagen im Monat jeweils vier Mal zurück. Unter Zugrundlegung einer Kilometerpauschale von 0,20 EUR errechneten sich daraus monatliche Fahrtkosten in Höhe von 13,60 EUR, wobei jeweils nur die Hinfahrt zu berücksichtigen sei. Die Leistungen würden nur erbracht, wenn der "Sonderbedarf" 10% der jeweils maßgeblichen Regelleistung übersteige, vorliegend 35,90 Euro. Dem Kläger sei zuzumuten, diesen Betrag aus der Regelleistung einzusparen, um dem Umgangsrecht nachgehen zu können. Auch müsse der Kläger für die Verpflegung der Tochter in dieser Zeit selbst aufkommen, denn die Tochter verbringe jeweils nur fünf Stunden mit dem Kläger, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsste die Zeitspanne mehr als 12 Stunden am Tag betragen.
Dagegen legte der Kläger am 19.07.2010 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er könne die Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter nicht aus der Regelleistung bestreiten, da er noch mehrere weitere Verbindlichkeiten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Härtefall im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II läge nicht vor. Die Regelleistung werde pauschal gewährt, sodass es dem Hilfebedürftigen vorrangig zumutbar sei, einen höheren Bedarf in dem einen Lebensbereich durch geringere Ausgaben...