Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Voraussetzung der Übernahme von Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts als Mehrbedarf
Orientierungssatz
1. Die Aufwendungen eines Grundsicherungsempfängers zur Ausübung des Umgangsrechts mit einem leiblichen Kind (hier: Fahrtkosten) stellen einen laufenden, besonderen und unabweisbaren Bedarf dar, der im Regelbedarf nicht berücksichtigt ist und deshalb als Mehrbedarf im Rahmen der Grundsicherungsleistung anzuerkennen ist. Dabei ist bei Fahrtkosten als Mehraufwendung die tatsächlich zurückgelegte Wegstrecke zu berücksichtigen.
2. Ein Mehrbedarfsanspruch wegen Umgangskosten kann nicht schon deshalb versagt werden, weil der Mehraufwand einen Betrag von 10 Prozent der Regelleistung unterschreitet.
Nachgehend
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 08.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2010 verurteilt, dem Kläger unter Abänderung seines Bescheides vom 27.04.2010 für die Zeit vom 01.07.2010 bis zum 30.11.2010 weitere Leistungen zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter in Höhe von 27,20 EUR monatlich zu gewähren.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme von Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter durch den Beklagten im Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 30.11.2010.
Der im Jahr 1967 geborene Kläger bezieht bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bewilligungsbescheid vom 27.04.2010 hatte der Beklagte dem Kläger für den Monat Juni 2010 Leistungen in Höhe von 657,14 EUR und für die Zeit vom 01.07.2010 bis zum 30.11.2010 Leistungen in Höhe von monatlich 696 EUR bewilligt.
In der Zeit vom 01.07.2010 bis zum 30.11.2010 verbrachte der Kläger jeden zweiten Samstag mit seiner am 00.00.2006 geborenen Tochter, die er jeweils um 12 Uhr bei ihrer Mutter abholte und dorthin um 17 Uhr wieder zurückbrachte. Hierfür musste er jeweils eine einfache Fahrtstrecke von etwa 17 km zurücklegen.
Bis zum 30.06.2010 hatte der Kläger von der Stadt C gemäß § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) monatlich Fahrtkosten und Verpflegungsgeld zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter erhalten. Im Juni 2010 teilte die Stadt C dem Kläger mit, dass sie die Zahlungen zum 30.06.2010 einstellen werde; ab dem 01.07.2010 sei der Beklagte für die Übernahme von Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts zuständig. Am 08.07.2010 beantragte der Kläger daraufhin bei dem Beklagten einen laufenden, nicht vermeidbaren, besonderen Bedarf (Vordruck "BEBE" als Anlage zum Hauptantrag auf Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010) zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter und teilte mit, dass ihm monatlich gleichbleibende Kosten in Höhe von 35 EUR anfielen. Er fügte seinem Antrag eine Bestätigung der Umgangspflegerin vom 05.07.2010 bei, die bescheinigte, dass der Kläger regelmäßig alle zwei Wochen am Samstag in der Zeit von 12 bis 17 Uhr Umgang mit seiner Tochter habe. Seit dem 01.07.2010 lebe die Tochter in der F-Allee 00 in C; dort hole der Kläger sie ab und bringe sie nach dem Umgang dorthin wieder zurück.
Mit Bescheid vom 08.07.2010 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er aus, ein Sonderbedarf könne nicht erbracht werden, da die begehrten monatlichen Zahlungen unterhalb der Grenze von 10 % der Regelleistung lägen. Die Entfernung zum Wohnort der Tochter betrage 17 km; der Kläger lege diese Strecke an zwei Samstagen im Monat jeweils vier Mal zurück. Unter Zugrundlegung einer Kilometerpauschale von 0,20 EUR errechneten sich daraus monatliche Fahrkosten in Höhe von 13,60 EUR, wobei jeweils nur die Hinfahrt zu berücksichtigen sei. Dem Kläger sei zuzumuten, diesen Betrag aus der Regelleistung einzusparen, um dem Umgangsrecht nachgehen zu können. Auch müsse der Kläger für die Verpflegung der Tochter in dieser Zeit selbst aufkommen, denn die Tochter verbringe jeweils nur fünf Stunden mit dem Kläger.
Dagegen erhob der Kläger am 14.07.2010 Widerspruch und führte zur Begründung aus, er könne die Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter nicht aus der Regelleistung bestreiten, da er habe noch mehrere weitere Verbindlichkeiten habe.
Mit Bescheid vom 25.11.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Härtefall i.S. des § 21 Abs. 6 SGB II läge nicht vor. Die Regelleistung werde pauschal gewährt, so dass es dem Hilfebedürftigen vorrangig zumutbar sei, einen höheren Bedarf in dem einen Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen Lebensbereich auszugleichen. Dies sei dem Kläger hier möglich, denn der Bedarf von 13,60 EUR für Fahrtkosten übersteige die Summe von 10 % der Regelleistung (35,90 EUR) nicht.
Dagegen richtet sich der Kläger mit seiner am 20.12.2010 erhobenen Klage. Zur Begründung trägt er v...