Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Berufung bei alleiniger Angabe einer postlagernden Anschrift und fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung wegen fehlenden Hinweises auf die Möglichkeit der elektronischen Rechtsmitteleinlegung und wegen Gewährung einer bei Auslandszustellungen geltenden Dreimonatsfrist für die Berufungseinlegung trotz öffentlicher Zustellung
Orientierungssatz
1. Ist ein Gerichtsbescheid dem Kläger mit einfachem Brief formlos an die von ihm einzig benannte Anschrift postlagernd übersandt worden und seine öffentliche Zustellung erfolgt, ist die Berufungsfrist gewahrt, wenn die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft war.
2. Eine Rechtsmittelbelehrung ist fehlerhaft, wenn der Hinweis auf die Möglichkeit fehlt, die Berufung mittels elektronischen Dokuments einzulegen.
3. Der Hinweis auf die 3-monatige Rechtsmittelfrist für Auslandszustellungen ist unrichtig, wenn eine öffentlichen Zustellung erfolgt ist, denn bei der öffentlichen Zustellung durch Aushängen an der Gerichtstafel handelt es sich um eine im Inland erfolgte Zustellung, die eine Rechtsmittelfrist von lediglich einem Monat zur Folge hat (§ 151 Abs. 1 SGG).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 01. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Berufungsverfahren ist die ordnungsgemäße Klageerhebung des Klägers streitig.
Der 1939 geborene Kläger, dessen Versicherungskonto bislang Pflichtbeitragszeiten in der Zeit von August 1954 bis September 1969 und im übrigen keinerlei Versicherungszeiten aufwies, bezieht entsprechend seinem Antrag vom 29. Juni 2004 von der Beklagten seit April 2004 eine Regelaltersrente. Er war aus früherer selbständiger Tätigkeit überschuldet, hatte des Öfteren seinen Aufenthaltsort gewechselt und wohnte an unterschiedlichen Orten, ohne dort gemeldet zu sein, offenbar bei Bekannten. Die Beklagte zahlte ab März 2005 die Altersrente laufend auf ein vom Kläger angegebenes Konto in der Schweiz. Daneben bemühte sie sich fortlaufend um Ermittlung einer Anschrift des Klägers. Auf ihre Anfrage beim Einwohnermeldeamt in D, wo der Kläger zuletzt gewohnt hatte, wurde zunächst mitgeteilt, dass die Anschrift in 52349 D, N Str. 134, weiterhin gelten solle (Auskunft vom 15. Juli 2005), dann, dass der Kläger von Amts wegen abgemeldet - unbekannt verzogen - worden sei (Auskunft vom 06. Dezember 2005). Am 17. November 2005 teilte der Kläger der Beklagten eine neue Postanschrift K Str. 1, postlagernd, 88131 L (B) mit. Am 30. März 2006 sprach der Kläger bei der Auskunfts- und Beratungsstelle A vor und gab an, dass die Anschrift in D eigentlich richtig und im Personalausweis angegeben sei, er sei dort aber von Amts wegen abgemeldet worden. Die Post solle weiterhin nach L (B) gehen. Die Rente solle, auch wenn sein gewöhnlicher Aufenthalt nicht in der Schweiz sei, wie zuvor auf das Schweizer Konto überwiesen werden, da er kein inländisches Konto habe.
Am 14. November 2006 beantragte der Kläger bei der Auskunfts- und Beratungsstelle in München rückwirkend “nach alter Rechtslage„ die Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) im Zeitraum vom 01. Januar 1987 bis zum 31. März 2004. In diesem Zeitraum sei ihm von der privaten Versicherung eine BU-Rente gezahlt worden. Die Beklagte sei ihren Mitteilungspflichten (hinsichtlich einer Gesetzesänderung zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen) nicht nachgekommen, so dass er keine Gelegenheit bekommen habe, anspruchserhaltende Beiträge zu zahlen. Dem Antrag beigefügt war ein Bescheid des Versorgungsamtes Köln vom 30. März 1989 über einen bei dem Kläger vorliegenden Grad der Behinderung (GdB) von 70 (Charakterneurose, Organbeschwerden, Depressionen, chronische Bronchitis, Wirbelsäulensyndrom, Fettleber).
Mit Bescheid vom 07. Dezember 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen BU bzw. Erwerbsunfähigkeit (EU) rückwirkend für die Zeit ab dem 01. Januar 1987 ab, da der Kläger seinerzeit keinen Antrag gestellt habe (§ 19 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Zudem fehle es an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, da der Kläger bereits ab dem 01. Oktober 1969 keine rentenrechtlichen Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt habe. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die teilweise durch das Haushaltsbegleitungsgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 unter Ablösung der bis dahin geltenden Regelungen der §§ 23 und 24 des Angestellten-Versicherungsgesetzes (AVG) eingeführt und zum 01. Januar 1984 in Kraft getreten seien, hätten es auch Versicherten, die zuletzt vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht versicherungspflichtig gewesen seien, ermöglicht, unter Umständen in den Genuss einer Rentenzahlung zu kommen. Über diese Rechtsänderung sei seinerzeit im Rahmen der Aufklärungspflichten in den einschlägigen Medien ausreichend informiert worden. Ein Einzelanspruch des Klägers auf entsprechende Information bestehe nicht. Auch ein Anspruch au...