Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer Kindererziehungszeit unter Berücksichtigung des Wohnsitz- und Beschäftigungsstaates. Gewöhnlicher Aufenthalt. Zahlung von Pflichtbeiträgen
Orientierungssatz
1. Fehlt es an Beschäftigungszeiten zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für einen im EU-Ausland lebenden EU-Bürger, kommt auch keine Vormerkung von Kindererziehungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht. Das frühere Bestehen eines Wohnsitzes in Deutschland reicht nicht aus.
2. Für den gewöhnlichen Aufenthalt ist es nicht ausreichend, eine Wohnung oder polizeiliche Meldeanschrift in Deutschland zu haben; notwendig ist vielmehr, dass sich der Betreffende unter dieser Anschrift auch überwiegend aufhält.
3. Pflichtbeiträge, die wegen einer im Gebiet der BRD ausgeübten Beschäftigung gezahlt worden sind, führen entsprechend § 56 Abs. 3 S. 2 SGB 6 nicht zur Berücksichtigung einer ihnen folgenden Kindererziehungszeit während eines gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland.
4. Die geltende Regelung verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Der EuGH setzt eine hinreichende Verbindung zwischen der geltend gemachten Kindererziehungszeit und dem Rentenversicherungssystem voraus, in dem diese anerkannt werden soll. Das erfordert die vorherige Zurücklegung von Versicherungszeiten aufgrund einer Beschäftigung.
Normenkette
SGB VI § 56 Abs. 1, 3, § 57; SGB I § 30 Abs. 3 S. 2; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 13 Abs. 1 S. 1; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 13 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2013 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt für die Zeit von Dezember 1998 bis Februar 2000 die Vormerkung des Tatbestandes einer Kindererziehungszeit sowie des Tatbestandes einer Berücksichtigungszeit für Kindererziehung.
Die 1961 in Indien geborene Klägerin, die indische Staatsangehörige ist, zog am 23. November 1995 nach Deutschland, absolvierte hier bis August 1996 ein Praktikum am Forschungszentrum J (Deutschland) im Rahmen ihrer Dissertation und kehrte dann nach B (Indien) zurück, wo sie bis Juli 1997 promovierte.
Im August 1997 heiratete die Klägerin in Indien den deutschen Staatsangehörigen T M und zog im Dezember 1997 nach Deutschland. Hier war sie für die Zeit vom 5. Dezember 1997 bis zum 12. März 2003 mit einem Hauptwohnsitz in L (Deutschland) gemeldet. Ihr war zunächst ein Visum und ab März 1999 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden.
Der Ehemann der Klägerin war von Mai 1995 bis August 1998 Doktorand bei S. Hier war kein Anstellungsvertrag begründet worden. Er erhielt von S eine monatliche Beihilfe von 2700,00 DM; Beiträge zur Rentenversicherung wurden für diesen Zeitraum nicht gezahlt. Von Mai 1995 bis Oktober 1998 absolvierte er einen Gastaufenthalt im Forschungszentrum J.
Am 25. September 1998 gebar die Klägerin in C (Indien), wo sie sich besuchsweise vom 6. Juni 1998 bis 17. November 1998 aufhielt, den Sohn K. Im November 1998 kehrte die Klägerin mit dem Sohn nach Deutschland zurück.
In dem im vorliegenden Klageverfahren streitgegenständlichen Zeitraum vom 29. November 1998 bis Februar 2000 wurde der Sohn von der Klägerin - nach ihren Angaben im Antragsformular zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten - in Großbritannien erzogen. Die Klägerin war mit ihrem Sohn dem Ehemann am 29. November 1998 nach Großbritannien gefolgt, dieser hatte eine auf maximal zwei Jahre befristete Postdoktorandenstelle inne, und hielt sich in Großbritannien bis zur gemeinsamen Rückkehr nach Deutschland am 20. Februar 2000 auf (unterbrochen von zwei Aufenthalten in Deutschland vom 23. Juli bis 13. August 1999 und vom 13. bis 23. November 1999). Dort zahlte der Ehemann für den Zeitraum vom 22. November 1998 bis zum 31. März 2000 Beiträge zum Rentenversicherungsträger Großbritanniens.
In Großbritannien wohnte die Klägerin ausschließlich möbliert zur Miete. Die Familie hatte die Wohnung in L beibehalten und ihren Hausrat dort belassen.
Zunächst der Ehemann und dann die Klägerin (von November 1999 bis Februar 2000) bezogen in England “child benefit„ (Kindergeld) und erhielten zudem von der Familienkasse des Arbeitsamtes N den Differenzbetrag zum höheren deutschen Kindergeld.
Für die Klägerin wurden in der britischen Rentenversicherung (UK Pension Agency, HRP Dept) für die Zeit vom 23. November 1998 bis 7. März 2000 keine Beitragsgutschriften (credits) für eine Person, die Kindergeld in Anspruch nimmt, vorgemerkt. In Großbritannien war die Klägerin nicht abhängig beschäftigt.
Der Ehemann der Klägerin war ab dem 8. März 2000 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI als Selbstständiger für eine in den Niederlanden ausgeübte Selbstständigkeit in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig.
Im Februar 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kontenklärung und legte mit Schreiben...