Entscheidungsstichwort (Thema)

Umwandlung des Freistellungsanspruchs eines Kostengläubigers in einen Geldleistungsanspruch - Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage

 

Orientierungssatz

1. Gegen die belastende Nebenbestimmung eines Verwaltungsakts ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGG gegeben. Bei der Kostenfestsetzungsentscheidung im Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 3 S. 1 HS. 1 SGB 10 handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Diese steht der Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht entgegen (BSG Urteil vom 30. 1. 2002, B 6 KA 20/01 R). § 32 Abs. 1 SGB 10 ist anwendbar.

2. Nach § 32 Abs. 1 Alt. 2 SGB 10 darf die Behörde eine Nebenbestimmung beifügen, die es ihr ermöglicht, einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen, obwohl noch nicht sämtliche für den Anspruch aufgestellten fachlichen Voraussetzungen erfüllt oder nachgewiesen sind.

3. Ein nebenbestimmungsfreier Freistellungsanspruch des Widerspruchsführers kann durch Fristsetzung nach § 250 BGB in einen Geldleistungsanspruch des Freistellungsgläubigers umgewandelt werden, wenn sich der Anspruchsschuldner weigert, den Freistellungsanspruch vorbehaltlos zu erfüllen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2017 aufgehoben und der Bescheid vom 15. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2014 in der Weise geändert, dass die Nebenbestimmung im Bescheid vom 15. November 2013

„Eine Erstattung der angemessenen Vergütung in Höhe von 328,44 € wird erfolgen, sobald hier entweder eine an den Mandanten adressierte und übersandte Kostenrechnung eingereicht oder die erfolgte Rechnungslegung anderweitig nachgewiesen (z. B. anwaltlich versichert) bzw. ein ggf. übergegangener Vergütungsanspruch durch Nachweis des Beratungsscheines entsprechend belegt wird“

aufgehoben wird.

Der Beklagte wird zur Zahlung von 328,44 € an die Kläger verurteilt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind die Kosten eines isoliert gebliebenen Vorverfahrens.

Im Jahre 2013 mandatierten die damals jedenfalls in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger - eine Familie - ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten (im Folgenden nur noch Bevollmächtigter genannt), sie in einem die Höhe ihrer Leistungsansprüche für Mai 2013 bis Juni 2013 betreffenden Vorverfahren zu vertreten. Nach dessen erfolgreichen Abschluss noch im Jahr 2013 (Änderungsbescheid vom 29. April 2013), für das sie keine Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG) in Anspruch nahmen, stellten die Kläger, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, mit Schreiben vom 14. Mai 2013 einen Antrag auf Festsetzung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,76 EUR. Mit Bescheid vom 15. November 2013 verpflichtete sich der Beklagte, die den Klägern im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten und erkannte die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten als erforderlich an. Zugleich verfügte er unter der Überschrift „Kostenfestsetzungsbescheid“ die Kläger hinsichtlich der geltend gemachten Vergütung ihres Bevollmächtigten in Höhe eines Betrages von 328,44 EUR (Geschäftsgebühr 160,00 EUR, Erhöhung für zwei weitere Auftraggeber 96,00 EUR, Kommunikationspauschale 20,00 EUR zzgl Umsatzsteuer) freizustellen; den darüber hinaus gehenden Festsetzungsantrag lehnte er ab. Unter der Überschrift „Begründung“ führte der Beklagte aus, die Erstattung werde erfolgen, sobald entweder eine an die Kläger adressierte und übersandte Kostenberechnung eingereicht oder die erfolgte Rechnungslegung anderweitig nachgewiesen (zB anwaltlich versichert) werde bzw ein ggf übergegangener Vergütungsanspruch durch Nachweis des Beratungsscheins entsprechend belegt werde. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2014).

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin haben die Kläger zuletzt die Ansicht vertreten (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 24. August 2016), ihr Freistellungsanspruch habe sich gemäß § 250 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch ohne das Setzen einer Frist in einen Zahlungsanspruch verwandelt, weil der Beklagte eindeutig zu erkennen gegeben habe, dass er die Erfüllung des Freistellungsanspruchs ablehne (Bezugnahme ua auf Bundesgerichtshof ≪BGH≫, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02, juris = NJW 2004, 1868ff).

Nachdem die Kläger noch in der Klageschrift angekündigt hatten, zu beantragen, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2014 zu verpflichten, sie von dem Vergütungsanspruch ihres Prozessbevollmächtigten freizustellen, haben sie am 16. Februar 2015 - nach einem Hinweis der Kammervorsitzenden des SG auf das Urteil des Bundessozialgericht (BSG) vom 02. Dezember 2014 (B 14 AS 60/13 R) - beantragt, unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 15. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2014 die Kosten auf 328,44 ...

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