Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittel. Preismoratoriumsabschlag. Darreichungsform als etablierter Begriff des AMG 1976. galenische Form. Vergleichbarkeit. kein wissenschaftlich erheblicher Unterschied hinsichtlich der Darreichungsform zwischen Referenzarzneimittel und Bezugsarzneimittel. Austauschbarkeit oder Identität des Arzneimittels nicht von Relevanz
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Auslegung des in § 130a Abs 3a SGB V genannten unbestimmten Rechtsbegriffs der gesetzlich nicht legaldefinierten "Darreichungsform" als eine der Voraussetzungen des Abschlags nach dem sogenannten Preismoratorium ist der im Arzneimittelgesetz (juris: AMG 1976) bereits etablierte Begriff zu berücksichtigen. Es handelt sich danach um die galenische Form, in der ein Arzneimittel angewendet wird.
2. "Vergleichbar" ist die Darreichungsform eines neu eingeführten Fertigarzneimittels im Verhältnis zu einem vom selben pharmazeutischen Unternehmer bereits in den Verkehr gebrachten Fertigarzneimittel gleichen Wirkstoffs, wenn keine wissenschaftlich erheblichen Unterschiede hinsichtlich der jeweiligen Darreichungsform gegeben sind. Auf eine Austauschbarkeit des Arzneimittels (aut idem) oder Identität kommt es dagegen nicht an.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2018 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als pharmazeutische Unternehmerin die Feststellung, das im April 2014 in den Verkehr gebrachte Arzneimittel Ceftriaxon E 2g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung (Pharmazentralnummer [PZN] 10170660, Normpackungsgröße N1, nachfolgend Ceftriaxon PL) unterfalle nicht dem Preismoratoriumsabschlag.
Die Klägerin brachte seit dem 1. August 2009 u.a. das Arzneimittel Cefotrix 5 x 2,0 g Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung, 5 Stück, PZN 02414148 (nachfolgend: Cefotrix P) in den Verkehr. Zum 1. April 2014 brachte sie ferner das Arzneimittel Ceftriaxon PL (neben weiteren, hier nicht streitbefangenen Packungsgrößen desselben Arzneimittels) in den Verkehr. Der arzneilich wirksame Wirkstoff Ceftriaxon ist beiden Arzneimitteln gemein. Es handelt sich bei diesem Wirkstoff um ein Breitspektrumantibiotikum mit bakterizider Wirkung. Als Arzneimittel wird es bei einer Vielzahl bakterieller Infektionskrankheiten parental unter Umgehung der enteralen Resorption angewandt. Es liegt in Form einer Trockensubstanz (Pulver) vor, das je nach Stärke (1,0 g und weniger oder 2,0 g) entweder als Injektionslösung oder als Infusionslösung appliziert wird. Cefotrix P wird von der Klägerin ohne beigefügtes Lösungsmittel angeboten, während Ceftriaxon PL neben dem Pulver eine beigepackte Durchstechflasche Lösungsmittel (40 ml isotonische Natriumchloridlösung 9 mg/ml [0,9 %]) enthält.
Insgesamt brachte die Klägerin seit dem 1. April 2014 folgende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ceftriaxon auf den Markt:
Bereits zum 1. August 2009:
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PZN |
Produktname |
Menge |
DAR |
Applikation |
02413835 |
CEFOTRIX 0,5 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel |
5 Stück |
TSS* |
Injektion |
02413864 |
CEFOTRIX 1,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel |
5 Stück |
TSS |
Injektion |
03422807 |
CEFOTRIX 1,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel |
10 Stück |
TSS |
Injektion |
02414148 |
CEFOTRIX 2,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel (= Cefotrix P) |
5 Stück |
TSS |
Infusion |
07275846 |
CEFOTRIX 2,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel |
7 Stück |
TSS |
Infusion |
03422799 |
CEFOTRIX 2,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel |
10 Stück |
TSS |
Infusion |
Zum 1. April 2014 zusätzlich:
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PZN |
Produktname |
Menge |
DAR |
Applikation |
10219805 |
CEFTRIAXON E 1 g Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung |
10 Stück |
DFL* |
Injektion |
10170660 |
CEFTRIAXON E Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung (= Ceftriaxon PL) |
1 Stück |
TRS* |
Infusion |
10170677 |
CEFTRIAXON E 2 g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung |
7 Stück |
TRS |
Infusion |
10170683 |
CEFTRIAXON E 2 g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung |
10 Stück |
TRS |
Infusion |
* TSS = Trockensubstanz ohne Lösungsmittel
* DFL = Durchstechflasche
* TRS = Trockensubstanz mit Lösungsmittel
Der Beklagte hatte zunächst, wie sie selbst eingeräumt hat, den Abschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V für die neu eingefügten Präparate mit der PZN 10219805 (1g, 10 Stück) und 10170660 (2g, 1 Stück) fehlerhaft berechnet, weil er die unterschiedlichen Applikationsformen - Injektion einerseits Infusion andererseits - übersehen hatte. Dies wurde zum 1. Januar 2015 korrigiert. Die Korrektur zur PZN 10219805 (1g, 10 Stück) war seither zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Die Abschläge betreffend die ebenfalls zum 1. April 2014 neu eingeführten Präparate mit der PZN 10170677 (2g, 7 Stück) und 10170683 (2g, 10 Stück) waren bereits im vorgerichtlichen Verfahren nicht streitig.
In Bezug auf Ceftriaxon PL wurde und wird der Klägerin von den Apothekenrechenzentren neben den Generika-A...