Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Verzicht auf Arbeitsentgeltansprüche im Insolvenzgeldzeitraum. Bindungswirkung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs. Dispositionsbefugnis. Betriebsübergang. Bindung des Rechtsnachfolgers
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt besteht nicht mehr, wenn der Arbeitnehmer im Wege des arbeitsgerichtlichen Vergleichs auf vermeintliche Ansprüche verzichtet, die den Insolvenzgeldzeitraum umfassen (vgl BSG vom 27.9.1994 - 10 RAr 1/93 = BSGE 75, 92 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10).
2. Ausreichend ist, dass sich der arbeitsgerichtliche Vergleich im Rahmen der den Arbeitsgerichtsparteien eingeräumten Dispositionsbefugnis hält. Dies gilt sodann auch im Verhältnis zum Sozialleistungsträger.
3. Der Betriebsnachfolger ist nach § 613a Abs 1 BGB an den arbeitsgerichtlichen Vergleich gebunden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Juli 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Januar 2014.
Der 1955 geborene Kläger war als Betriebsschlosser und Monteur bei der E-GmbH in M (Geschäftsführer: E; nachfolgend Arbeitgeberin) im Umfang von 40 Wochenstunden seit 1992 beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 3. August 1992). Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2014 (Kündigungsschreiben vom 6. Januar 2014) unter Hinweis auf die am 23. Dezember 2013 beim Amtsgericht (AG) Potsdam beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Seit Dezember 2013 zahlte die Arbeitgeberin dem Kläger das Gehalt nicht mehr aus. Im November 2013 betrug sein Gesamtbruttogehalt 2.864,23 €. Am 6. Januar 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung von Insolvenzgeld.
Das AG Potsdam bestellte mit Beschluss vom 29. Januar 2014 - 35 IN 847/13 - betreffend das Vermögen der Arbeitgeberin Rechtsanwalt L zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Das Insolvenzverfahren wurde am 28. Februar 2014 eröffnet unter Ernennung jenes Rechtsanwalts zum Insolvenzverwalter.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 11. März 2014 einen Vorschuss auf das zu erwartende Insolvenzgeld in Höhe von 1.400 € verbunden mit dem Hinweis, dass dieses zu erstatten sei, soweit ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt würde.
Im vom Kläger, vertreten durch die im vorliegenden Verfahren beigeladenen Rechtsanwälte, gegen seine frühere Arbeitgeberin (dortige Beklagte zu 1.), erweitert auf die E T GmbH (Geschäftsführer E, nachfolgend: Rechtsnachfolgerin, dortige Beklagte zu 2.) geführten Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Potsdam (ArbG - 9 Ca 36/14 -; Klageerhebung am 9. Januar 2014) erging gegen die dortigen Beklagten das (nur gegenüber der - vormaligen - Beklagten zu 1., vertreten durch den Insolvenzverwalter, rechtskräftige) Urteil vom 15. Dezember 2014, mit dem festgestellt wurde, dass das zwischen dem Kläger und der ursprünglichen Beklagten zu 1. begründete Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2. übergegangen und ungekündigt fortbestehe. Die Beklagte zu 2. wurde ferner verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Betriebsschlosser mit Montagetätigkeiten bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den vorstehenden Feststellungstenor weiter zu beschäftigen. Im Übrigen, soweit die Feststellung eines Betriebsübergangs vom Kläger bereits zum 1. Januar 2014 begehrt worden sei, wies es die Klage ab. Ausweislich der Entscheidungsgründe sei das Arbeitsverhältnis des Klägers infolge Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB spätestens zum 6. März 2014 (Eintragung im Handelsregister HRB 26882 P) auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Wegen des Urteils, insbesondere der Entscheidungsgründe, wird im Übrigen auf Bl. 225 bis 235 der Akten des ArbG Potsdam - 9 Ca 36/14 - Bezug genommen.
Im Zuge des allein von der Rechtsnachfolgerin geführten Berufungsverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg erklärten der Kläger und die nur noch beteiligte Rechtsnachfolgerin den Rechtsstreit hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs in der Hauptsache für erledigt. Das LAG stellte mit Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 16 Sa 590/15 - das Zustandekommen eines Vergleichs zwischen dem Kläger und der Rechtsnachfolgerin fest, wonach Einigkeit bestehe, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers am 31. Januar 2014 geendet habe, die Rechtsnachfolgerin an ihn zum Ausgleich des Verlustes des Arbeitsplatzes eine Abfindung entsprechend des Kündigungsschutzgesetzes in Höhe von 15.000 € zahle und hiermit alle Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung unabhängig vom Rechtsgrund ausgeglichen seien.
Der Insolvenzverwalter lehnte mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 gegenüber der Beklagten die von jener angeforderte Ausstellung einer Insolvenzbescheinigung für den Kläger ab, weil mit dem geschlossenen arbeitsgerichtlichen ...