Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Vergütung. Erfordernis einer histologischen Untersuchung und/oder einer Bilddokumentation bei dermatochirurgischen Eingriffen. keine Verfassungswidrigkeit
Leitsatz (amtlich)
Das in Kapitel 31.2.2 EBM (juris: EBM-Ä 2008) enthaltene Erfordernis einer histologischen Untersuchung entnommenen Materials und/oder einer Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes bei dermatochirurgischen Eingriffen ist nicht verfassungswidrig; im Zuge eines praktisch verstärkten Verlangens nach ästhetischer Veränderung im Genitalbereich, welches auch mit den Mitteln der plastischen Chirurgie bedient wird (Stichwort: "Intimästhetik/Intimchirurgie für den Mann", "Intimkorrektur"), erscheint es nicht unvertretbar, die medizinische Notwendigkeit mittels Fotodokumentation des OP-Gebietes zu belegen.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Dezember 2017 wird geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 25. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2015, dieser in der Fassung des Änderungsbescheids vom 9. Juni 2016, verurteilt, dem Kläger für das Quartal II/2012 31 Mal die GOP 26340 nachzuvergüten.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Beklagte zu einem Viertel und der Kläger zu drei Viertel.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine von der Beklagten vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung im II. Quartal 2012.
Der Kläger ist Facharzt für Urologie und in S zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Honorarbescheid vom 25. Oktober 2012 gewährte die Beklagte für das II. Quartal 2012 ein Bruttohonorar in Höhe von 108.265,57 Euro und nahm sachlich-rechnerische Richtigstellungen vor. Unter anderem strich sie folgende Gebührenordnungspositionen (GOP) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM):
- 32 Mal die GOP 26340 (Kalibrierung/Bougierung der Harnröhre)
- viermal die GOP 31102 (dermatochirurgischer Eingriff der Kategorie A2) und damit im Zusammenhang zweimal die GOP 31503 (postoperative Überwachung im Anschluss) und viermal die GOP 31609 (postoperative Behandlung im Anschluss).
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2015 zurück. Die Streichung der GOP 26340 begründete sie damit, dass ein zusätzliches Abrechnen der Kalibrierung/Bougierung (Vermessung/Aufdehnung) der Harnröhre neben der Zystoskopie (Blasenspiegelung, GOP 26310/26311) eine eigene Indikation der Kalibrierung/Bougierung erfordere, die der Dokumentation nicht zu entnehmen sei. Bezüglich der GOP 31102, 31503 und 31609 verwies die Beklagte darauf, dass diese nicht abrechnungsfähig seien, da der Leistungsinhalt der GOP nicht vollständig erbracht worden sei. Die Abrechnung dermatochirurgischer Eingriffe setze nach Nr. 1 der Präambel zum Kapitel 31.2.2 EBM eine histologische Untersuchung und/oder eine Fotodokumentation voraus. Beides sei vom Kläger nicht vorgelegt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 10. August 2015 Klage erhoben. Die Kürzungen seien rechtswidrig. Es gebe keinen Ausschlusstatbestand für eine gleichzeitige Abrechnung der GOP 26340 und 26310/26311. Eine Kalibrierung müsse auch zur Abklärung und zum Ausschluss bei Verdacht einer Harnröhrenenge oder anderen Verdachtsmomenten möglich und abrechenbar sein. Sonst würden die notwendigen Dokumentationsvoraussetzungen überzogen werden. In allen Fällen habe aus verschiedenen Gründen eine medizinische Indikation zur Bougierung bestanden, die auch in den Karteikarten - auf die verwiesen wird - dokumentiert worden sei. Die Patienten hätten sich mit Beschwerden vorgestellt, die abzuklären gewesen seien.
Auch die GOP 31102 und die damit zusammenhängenden GOP 31503 und GOP 31609 seien korrekt abgerechnet worden. Der Kläger habe ambulante Zirkumzisionen (Beschneidungen) zur Behebung von Phimosen (Vorhautverengung) durchgeführt, welche über die GOP 31102 abrechenbar seien. Histologische Untersuchungen seien medizinisch nicht erforderlich gewesen, da in den abgerechneten Fällen Vorhautplastiken aufgrund einer Verengung durchgeführt worden seien, bei denen Gewebeuntersuchungen nutzlos seien. Die medizinisch nicht indizierte Fotodokumentation hätten die betroffenen Patienten zudem aus persönlichen Gründen zur Wahrung ihrer Intimsphäre abgelehnt, und der Kläger habe sie daher aufgrund ethischer Bedenken nicht vorgenommen. Es wäre sinnvoller gewesen, die Zirkumzision in das Kapitel der Urologie einzuordnen und nicht in das Kapitel der dermatochirurgischen Eingriffe. Denn bei Hauterkrankungen sei häufig entweder eine histologische Diagnose und/oder eine Verlaufsbeobachtung medizinisch notwendig, bei Zirkumzisionen sei dies hingegen die absolute Ausnahme. Die Dokumentation sei nicht medizinisch indiziert, sondern werde ...