Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung des Verpflegungsgeldes bzw. des Geldwertes kostenloser Verpflegung des Angehörigen eines Sonderversorgungssystems als rentenversicherungsrechtliches Entgelt
Orientierungssatz
1. Den Pflichtbeitragszeiten i. S. des § 5 AAÜG ist bei der Rentenberechnung als Arbeitsentgelt dasjenige Entgelt bzw. Einkommen zugrunde zu legen, das dem Berechtigten während den Zugehörigkeitszeiten zu einem Versorgungssystem aufgrund seiner Beschäftigung tatsächlich gezahlt worden ist.
2. Dem Entgeltbegriff i. S. des § 6 Abs. 1 AAÜG ist der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts i. S. von § 14 Abs. 1 SGB 4 zugrunde zu legen. Durch die Anknüpfung an die Arbeitsverdienste werden Berechtigte aus Versorgungssystemen so behandelt, als hätten sie diese Verdienste in der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert.
3. Verpflegungsgeld wird ebenso wie der Geldwert der kostenlosen Verpflegung als Sachbezug von § 14 Abs. 1 S. 1 SGB 4 erfasst.
4. Die Sicherung der Kosten der Verpflegung zum Erhalt der Arbeitskraft ist ein wesentliches Element der Grundaufgabe des Arbeitsentgelts. Wurde in der ehemaligen DDR das Verpflegungsgeld zusammen mit dem Gehalt gezahlt und wurde kostenlose Verpflegung bei einer Delegierung des Beschäftigten wegen des Wohnens in Gemeinschaftsunterkünften gewährt, so ist das gezahlte Verpflegungsgeld bzw. der Geldwert kostenloser Verpflegung bei der Rentenberechnung als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.
5. Zur Berücksichtigung kostenlos gewährter Verpflegung bedarf es grundsätzlich des Vollbeweises. Wird aber ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht, so ist nach § 6 Abs. 6 AAÜG der nachgewiesene Teil voll und der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln anzurechnen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 02. April 2012 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2009 verpflichtet, den Bescheid vom 01. Juli 1997 insoweit zurückzunehmen, als ein glaubhaft gemachter Geldwert der kostenlosen Verpflegung vom 15. Mai 1961 bis 30. September 1962 ausgehend von 3,35 Mark täglich und Verpflegungsgeld vom 01. Oktober 1962 bis 31. Dezember 1962 von 2,20 Mark täglich als weiteres Arbeitsentgelt berücksichtigt wird.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu einem Zehntel und des Berufungsverfahrens zu vier Zehnteln zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Berücksichtigung von Verpflegungsgeld und des Geldwertes kostenloser Verpflegung im Zeitraum von Juni 1958 bis Dezember 1962 als weiteres tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt.
Der im April 1934 geborene Kläger, der vom 01. September 1951 bis 09. Mai 1955 als Kontrolleur, Sachbearbeiter und Schichtleiter beim Amt für Kontrolle des Warenverkehrs (AKW) bzw. Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs (AZKW) beschäftigt war, arbeitete vom 10. Mai 1955 bis 31. Mai 1958 als Angestellter bei der Kasernierten Volkspolizei bzw. der Nationalen Volksarmee (NVA). Zum 01. Juni 1958 nahm er erneut als Schichtleiter mit dem Dienstgrad eines Zolloberkontrolleurs einer Beschäftigung beim AZKW auf. Nach erfolgreicher Teilnahme an einem Offizierslehrgang an der Schule des AZKW “H „ (15. Mai 1961 bis 12. Oktober 1962) wurde er zum 01. Oktober 1962 Zollamtsleiter mit dem Dienstgrad eines Zoll-Unterkommissars, danach mit dem Dienstgrad eines Zollkommissars. Während der weiteren Beschäftigung bei der Zollverwaltung der DDR war er als Außenstellenleiter, Kaderleiter und Abteilungsleiter, zuletzt im Dienstgrad eines Rates tätig.
Mit Bescheid vom 01. Juli 1997 stellte die Oberfinanzdirektion Berlin die Zeit vom 01. September 1951 bis 09. Mai 1955 und vom 01. Juni 1958 bis 31. Dezember 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR (SVA-Zoll) und die während dieser Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte fest, wobei ein Geldwert der kostenlosen Verpflegung und ein Verpflegungsgeld unberücksichtigt blieben. Gleichzeitig wies sie für Rentenbezugszeiten vor dem 01. Januar 1997 in der Spalte “Entgelt nach AAÜG„ für die Jahre 1951 bis 1955 und für die Jahre 1963 bis 17. März 1990 davon abweichende geringere Arbeitsentgelte aus. Im Übrigen stellte sie klar, dass die für Rentenbezugszeiten ab 01. Januar 1997 genannten Arbeitsentgelte, soweit sie die Anlage 3 zum AAÜG (allgemeine Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung auf dem Niveau der neuen Bundesländer) überschritten, nämlich im Zeitraum vom 01. Januar 1963 bis 30. Juni 1990, nicht mit Bindungswirkung für den Rentenversicherungsträger festgestellt sind.
Im Januar 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juli (gemeint August) 2007 -...