Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von in der DDR zusätzlich zum erzielten Arbeitsverdienst gewährten Verpflegungsgeld als weiteres Arbeitsentgelt bei der Überführung von Ansprüchen nach dem AAÜG

 

Orientierungssatz

1. Dem Rentenversicherungsträger, und nicht dem Versorgungsträger, obliegt es, verbindlich darüber zu entscheiden, bis zu welcher Höhe die vom Versorgungsträger festgestellten Arbeitsentgelte der Rentenberechnung zugrunde zu legen sind. Dazu gehört die Entscheidung über die Anwendung der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Abzustellen ist dabei allein auf das in der DDR tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt.

2. Die Berücksichtigung von Einnahmen aus einem Arbeitsrechtsverhältnis als Verdienst nach § 256 a Abs. 2 SGB 6 setzt voraus, dass nach dem Recht der DDR entweder Pflichtbeiträge oder Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt wurden. Der Begriff des Arbeitsentgelts in § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG ist damit mit dem Begriff des Arbeitsverdienstes in § 256 a Abs. 2 S. 1 SGB 6 nicht identisch.

3. Welche inhaltliche Bedeutung dem Begriff Arbeitsentgelt i.S.v. § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG zukommt, bestimmt sich nach § 14 SGB 4.

4. Verpflegungsgeld wird von § 14 Abs. 1 S. 1 SGB 4 erfasst.

5. Die Sicherung der Kosten der Verpflegung zum Erhalt der Arbeitskraft ist ein wesentliches Element der Grundaufgabe des Arbeitsentgelts. Gezahltes Verpflegungsgeld ist infolgedessen keine Aufwandsentschädigung.

6. Verpflegungsgeld und kostenlose Verpflegung rechnen damit zu den maßgeblichen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Diese Einnahme macht einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen im Verhältnis zu den gesamten Einnahmen aus. Deshalb ist es nach § 6 Abs. 1 AAÜG als weiteres Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 02. April 2012 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2009 verpflichtet, den Bescheid vom 15. April 1996 insoweit zurückzunehmen, als Verpflegungsgeld für 1958 in Höhe von 919,30 Mark, für 1959 in Höhe von 1.206 Mark, für 1960 in Höhe von 1.226,10 Mark, für 1961 in Höhe von 1.206 Mark, für 1962 in Höhe von 1.203 Mark, für 1963 in Höhe von 1.209,35 Mark, für 1964 in Höhe von 1.226,10 Mark, für 1965 bis 1967 jeweils in Höhe von 1.222,75 Mark und für 1968 in Höhe von 1.151,45 Mark als weiteres Arbeitsentgelt berücksichtigt wird.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu zwei Dritteln und des Berufungsverfahrens in vollem Umfang zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Berücksichtigung von Verpflegungsgeld im Zeitraum vom 01. März 1958 bis 31. Dezember 1968 als weiteres tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt.

Der im August 1933 geborene Kläger, der von August 1955 bis Februar 1958 Offiziersschüler der Kasernierten Volkspolizei bzw. der Nationalen Volksarmee war, arbeitete vom 01. März 1958 bis 31. Juli 1959 als Kontrolleur, vom 01. August 1959 bis 31. Mai 1967 als Zollunterführer und vom 01. Juni 1967 bis 31. März 1972 als Sachbearbeiter beim Abzw. der Z, am 31. Dezember 1968 im Dienstgrad eines Zollobersekretärs, danach zuletzt im Dienstgrad eines Zollunterkommissars.

Mit Bescheid vom 15. April 1996 stellte die Oberfinanzdirektion Berlin die Zeit vom 01. März 1958 bis 31. März 1972 als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Z (SVA-Zoll) und die während dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte fest, wobei ein Verpflegungsgeld unberücksichtigt blieb. Gleichzeitig wies sie in der Spalte “Entgelt nach AAÜG„ für die Jahre 1968 bis März 1972 davon abweichende geringere Arbeitsentgelte aus. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch erteilte die Oberfinanzdirektion Berlin den Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1997, mit dem sie verfügte, dass vom tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt in der Spalte “Entgelt nach AAÜG„ für 1968 kein abweichendes geringeres Arbeitsentgelt und für die Jahre 1969 bis März 1972 ein davon abweichendes geringeres Arbeitsentgelt lediglich bis zu den Werten der Anlage 3 AAÜG auszuweisen ist. Auf die dagegen beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) (S 9 246/97) erhobene Klage erteilte die Oberfinanzdirektion Cottbus zunächst den Bescheid vom 06. August 2001, mit dem sie den Bescheid vom 15. April 1996 dahingehend abänderte, dass der Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1997 mit den dort getroffenen Regelungen nicht erst ab 01. Januar 1997, sondern bereits ab 01. Juli 1993 wirksam wird. Mit weiterem Bescheid vom 21. Februar 2002 änderte sie den Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1997 mit Wirkung ab 01. Januar 1997 dahingehend ab, dass die für den Zeitraum vom 01. Januar 1969 bis 31. März 1972 erfolgte Begrenzung des Entgelts nach AAÜG jeweils auf die Werte der Anlage 3 AAÜG aufgehoben und nunmehr das Entgelt nach AAÜG jeweils in Höhe des (ungekürzten) ...

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