Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Verpflegungsgeld bzw. Reinigungszuschuss als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt bei Beschäftigten der Zollverwaltung der DDR
Orientierungssatz
1. Zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB 4 zählen grundsätzlich alle Sachbezüge sowie alle einmaligen oder regelmäßig wiederkehrenden Zuwendungen, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung zufließen.
2. Das den Beschäftigten der Zollverwaltung der DDR gewährte Verpflegungsgeld bzw. die kostenlose Verpflegung war ebenso wie das gezahlte Gehalt Gegenleistung für die erbrachte Arbeit. Damit besteht der erforderliche Zusammenhang mit der Beschäftigung.
3. Nach § 1 ArEV sind einmalige und laufende Zulagen sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zum Lohn gezahlt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 ArEV nichts Abweichendes ergibt. Verpflegungsgeld und kostenlose Verpflegung sind nach keiner Vorschrift des Steuerrechts steuerfrei.
4. Dagegen zählt der den Beschäftigten der Zollverwaltung der DDR gezahlte Reinigungszuschuss nicht zum erzielten Arbeitsentgelt nach § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG. Er wird nicht von § 14 Abs. 1 S. 1 SGB 4 erfasst. Er stellt keine Einnahme aus der Beschäftigung des Berechtigten bei der Zollverwaltung der DDR dar. Er ist vielmehr steuerfreier Auslagenersatz.
Normenkette
AAÜG §§ 5, 6 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 1, 3 S. 2; SGB IV §§ 14, 17; SGB VI §§ 149, 256a Abs. 2; SGB X § 23 Abs. 1 S. 2, § 44 Abs. 1-2; ArEV §§ 1, 3; EStG § 3 Nrn. 31, 50, § 19 Abs. 1 S. 2
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Oktober 2012 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2009 verpflichtet, den Bescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 11. August 1997 teilweise zurückzunehmen und ab dem 01. November 2007
Verpflegungsgeld für die Zeiträume vom
a) 01. Januar 1963 bis 28. März 1963 i.H.v. 291,45 Mark,
b) 01. April 1964 bis 31. Dezember 1964 i.H.v. 924,60 Mark,
c) 01. Januar 1965 bis 31. Dezember 1965 i.H.v. 1.206,00 Mark,
d) 01. Januar 1966 bis 31. Dezember 1966 i.H.v. 1.102,50 Mark,
e) 01. Januar 1967 bis 31. Dezember 1967 i.H.v. 792,00 Mark,
f) 01. Januar 1968 bis 31. Dezember 1968 i.H.v. 792,00 Mark,
g) 01. Januar 1969 bis 31. Dezember 1969 i.H.v. 803,04 Mark,
h) 01. Juli 1990 bis 30. September 1990 i.H.v. 410,91 Mark,
sowie
den Geldwert der kostenlosen Vollverpflegung (Sachbezug) für die Zeiträume vom
a) 15. Februar 1958 bis 31. Dezember 1958 i.H.v. von 928,90 Mark,
b) 01. Januar 1959 bis 31. Dezember 1959 i.H.v. 1.222,75 Mark,
c) 01. Januar 1960 bis 31. Dezember 1960 i.H.v. 1.226,10 Mark,
d) 01. Januar 1961 bis 31. Dezember 1961 i.H.v. 1.222,75 Mark,
e) 01. Januar 1962 bis 31. Dezember 1962 i.H.v. 1.222,75 Mark,
f) 02. April 1963 bis 31. Dezember 1963 i.H.v. 917,90 Mark sowie
g) 01. Januar 1964 bis 20. März 1964 i.H.v. 268,00 Mark
jeweils zu 5/6
als weiteres Arbeitsentgelt festzustellen.
Für die Zeit vor dem 01. November 2007 wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger über die Rücknahme des Bescheides vom 11. August 1997 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 3/4 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wege des Überprüfungsverfahrens über die Berücksichtigung von Verpflegungsgeld, eines Reinigungszuschusses sowie des Geldwertes kostenloser Verpflegung als weiteres tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt.
Der im Oktober 1935 geborene Kläger war vom 15. Februar 1958 bis zum 30. September 1990 als Mitarbeiter bei der Zollverwaltung der DDR beschäftigt, zuerst als Zollanwärter bzw. -kontrolleur beim Grenzzollamt N (bis 31. März 1963) und zuletzt als Abteilungsleiter im Rang eines Zollrates am Institut der Zollverwaltung der DDR “H R„ in P. Ab dem 01. Oktober 1990 bezog er eine befristete erweiterte Versorgung. Bei Einstellung hatte er seinen ständigen Wohnsitz in A Kreis R/D. Laut der Besoldungsstammkarten heiratete der Kläger am 26. Oktober 1960. Am 28. März 1960 wurde das erste Kind, am 08. Dezember 1961 das zweite Kind geboren. Der Kläger bezog in der Folge ab November 1960 Ehegatten- und Kinderzuschlag, außerdem wurde ihm neben seinen Dienstbezügen Wohnungsgeld gezahlt. Ferner wurde ihm ausweislich der Besoldungsstammkarten ab Januar 1963 - mit Unterbrechung - bis 30. September 1990 Verpflegungsgeld gezahlt. Hinsichtlich der Zahlung des Verpflegungsgeldes waren lediglich die Zeiträume vom 29. März 1963 bis zum 25. März 1964 wegen der Teilnahme an einem dienstlichen Lehrgang an der Zollschule in P (02. April 1963 bis 20. März 1964) sowie vom 21. November bis 10. Dezember 1974, 28. Januar bis 20. Februar 1982, 29. Juni bis 20. Juli 1987, 12. bis 27. August 1987 sowie 08. bis 28. Juni 1988 - jeweils weg...