Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Magenbypass-Operation. Genehmigungsfiktion bei nicht fristgerechter Entscheidung

 

Orientierungssatz

Beruft sich eine Krankenkasse darauf, dass sie die Versicherte über die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme über die beabsichtigte Magenbypass-Operation nach § 13 Abs 3a S 5 SGB 5 fristgemäß unterrichtet habe, trägt sie die Feststellungslast für diesen Umstand. Kann sie dies nicht nachweisen, gilt eine Frist von drei Wochen nach § 13 Abs 3a S 1 SGB 5.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 12. April 2016 und der Bescheid er Beklagten vom 29. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. März 2015 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Magenbypass-Operation als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des gesamten Rechtstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einer Magenbypass-Operation als Sachleistung.

Die 1963 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte am 1. Oktober 2014 bei der Beklagten die Versorgung mit einer Magenbypass-Operation als Sachleistung. Ihrem Antrag fügte sie u. a. einen Arztbrief der sie behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. J G vom 26. August 2014 bei. Diese beschrieb bei der Klägerin ein ausgeprägtes Übergewicht bei einem BMI von ≫43. Konservative Maßnahmen seien von der Klägerin in den vergangenen Jahren auch unter regelmäßiger hausärztlicher Kontrolle und Begleitung ohne Erfolg durchgeführt worden. Aus hausärztlicher Sicht sei eine bariatrische Operation mit dem Ziel einer dauerhaften Gewichtsreduktion angezeigt. Zudem fügte sie einen Arztbrief von Prof. Dr. med. J O, dem Leiter des Zentrums für Adipositas und Metabolische Chirurgie der C vom 9. September 2014 bei. Dieser diagnostizierte bei der Klägerin eine Adipositas Grad III. Das Körpergewicht der Klägerin betrage 113 kg bei einer Größe von 163 cm. Die Klägerin leide seit dem frühen Erwachsenenalter an Adipositas per magna. Eine über mehrere Monate durchgeführte multimodale Therapie habe zu keinem erfolgreichen Resultat geführt. Inzwischen hätten sich ein Diabetes und zahlreiche andere adipositasbedingte Erkrankungen eingestellt. Das individuelle Operationsrisiko sei im Falle der Klägerin mit dem Risikoprofil üblicher Wahleingriffe vergleichbar. Die Klägerin erfülle alle Kriterien und die Voraussetzungen für eine postoperative Verhaltensmodifikation. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie seien damit gegeben. Eine Magenbypass-Operation zur dringenden Gewichtsreduktion sei angezeigt.

Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) legte am 20. Oktober 2014 ein sozialmedizinisches Gutachten vor. Der MDK kam zu dem Ergebnis, dass in den letzten 2 Jahren vor der Durchführung einer bariatrischen Operation ein multimodales Behandlungskonzept (Ernährungstherapie, Bewegungstherapie, ggfs. Verhaltenstherapie) erfolglos durchgeführt worden sein müsse. Die Bewegungs- und Ernährungstherapie sollten ärztlich kontrolliert, zeitgleich über einen Zeitraum von mindestens sechs bis zwölf Monaten erfolgen. Die konservativen Maßnahmen würden als erschöpft angesehen, wenn diese Therapie zu einer Gewichtsreduktion von weniger als 10% geführt habe. Die Bewegungstherapie erfolge im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten und körperlichen Einschränkungen. Eine Ernährungstherapie über einen Zeitraum von sechs Monaten sei durch einen Ernährungsmediziner und/oder eine anerkannte ernährungstherapeutische Berufsgruppe (z. B. Diätassistenten) bzw. Betreuung durch eine qualifizierte Einrichtung nachzuweisen, mit Angaben zur Frequenz und stichwortartiger Beschreibung der Art der Intervention. Im Falle der Klägerin sei der Nachweis einer derartigen Therapie ohne ausreichende und nachhaltige Gewichtsreduktion nicht belegt. Aus sozialmedizinischer Sicht könne deshalb die beantragte Leistung nicht befürwortet werden.

Mit einer entsprechenden Begründung lehnte daraufhin die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 29. Oktober 2014 ab. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin u. a. ein weiteres Schreiben des Adipositaszentrums der C vom 13. November 2014 vor. Prof. Dr. med. J. O teilte mit, dass er die Argumentation des MDK nicht nachvollziehen könne. Die Klägerin habe jahrelang versucht, ihr Gewicht zu reduzieren. Diese Versuche seien trotz Begleitung und Unterstützung nicht erfolgreich gewesen. Die multimodale Therapie sei von der Klägerin mehr als ausreichend erfüllt worden. Um die Klägerin aus ihrer Adipositaserkrankung zu “befreien„, sei eine Operation dringend indiziert. Nach Einholung eines weiteren sozialmedizinischen Gutachtens des MDK vom 29. Januar 2015, der bei seiner ursprünglichen Auffassung verblieb, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2015 als un...

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