Entscheidungsstichwort (Thema)

Fiktion der Genehmigung eines Leistungsantrags des Versicherten durch die Krankenkasse bei Fristüberschreitung der Bescheidung

 

Orientierungssatz

1. Die Krankenkasse hat nach § 13 Abs. 3a S. 1 SGB 5 über einen Leistungsantrag spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragstellung, in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden.

2. Die Genehmigungsfiktion des Leistungsantrags nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB 5 tritt nicht ein, wenn die Krankenkasse dem Versicherten rechtzeitig Mitteilung über die beabsichtigte Einholung des Gutachtens und den Grund für die zu erwartende verspätete Entscheidung gemacht hat.

3. Hat der Versicherte durch sein Verhalten die rechtzeitige Gutachtenserstellung mit verhindert, so geht die durch ihn selbst verursachte Verzögerung nicht zu Lasten der Krankenkasse. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB 5 tritt dann nicht ein.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt die Kosten einer bariatrischen Operation in Form eines Magen-Bypasses als Sachleistung zu übernehmen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme einer Magen-Bypass-Operation zur Gewichtsreduktion, was die Beklagte mit der Begründung ablehnt, dass die Klägerin noch nicht sämtliche zur Verfügung stehenden konservativen Maßnahmen ergriffen habe.

Die Klägerin beantragte am 01.12.2014, gestützt auf einen Bericht des Sana-Klinikums Offenbach, Adipositaszentrum (Dr. C.) vom gleichen Tage und einem Attest ihres Hausarztes C. vom 20.11.2014 die Kostenübernahme einer Magen-Bypass-Operation zur Gewichtsreduktion. Dabei begründete die Klinik das Ansinnen unter anderem damit, dass die Klägerin mit einem Body-Mass-Index von 50,1 kg/m2 (Gewicht 136,5 kg bei einer Körpergröße von 165 cm) dringend eines adipositas-chirurgischen Eingriffs in Form eines Magen-Bypasses bedürfe, zumal keine Kontraindikationen vorlägen. Weder die hausärztlichen Bemühungen einer Gewichtsreduktion zwischen Juni 2013 und September 2014 noch der regelmäßige Besuch eines Fitnessstudios zwischen 2011 und 2013 hätten zu einer entsprechenden Gewichtsreduktion geführt. Vielmehr komme aufgrund der vielfältigen Beschwerden lediglich eine Magen-Bypass-Operation nach Roux-Y-Rekonstruktion in Betracht. Die Operation selbst werde laparoskopisch durchgeführt, wobei diese - nach den Standards der amerikanischen Fachgesellschaft - mittels verpflichtender lebenslanger Follow-Up-Untersuchungen supplementiert werde. Die internationale Adipositas-Gesellschaft wie auch die internationale Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas verfügten über ausreichende Studien, die die Effektivität und Langzeitwirkung der adipositas-chirurgischen Eingriffe belegten und hätten, wie die internationalen Fachgesellschaften, die AWF-Richtlinien, die Leitlinien zur chirurgischen Therapie der Adipositas wie auch die neuen Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Adipositas aus dem Jahr 2014 eine eindeutige positive Stellungnahme zur operativen Intervention abgegeben. Mit der gewählten Operationsmethode komme es zu einer statistisch nachgewiesenen Gewichtsabnahme im Mittel von ca. 70 Prozent des bestehenden Übergewichtes, weshalb sie auch zum "Goldstandard" der Adipositaschirurgie in den USA und den meisten europäischen Ländern zähle. Alle bei der Klägerin adipositasbedingten Beschwerden ließen sich nach einer durch die OP unterstützte Gewichtsreduktion normalisieren, sodass weitere Folgeschäden vermieden werden könnten. Im Übrigen sei die Adipositasanamnese der Klägerin über mehr als 10 Jahre ausreichend lang, um eine operative Behandlung in Erwägung zu ziehen.

Der von der Beklagten eingeschaltete MDK bat mit Schreiben vom 23.12.2014 um Vorlage verschiedener Unterlagen (Antrag der Versicherten, MDK-Fragebogen für Versicherte einerseits und den behandelnden Arzt andererseits, einen endokrinologischen Bericht oder Bescheinigung, dass endokrinologische Erkrankungen keine Kontraindikation bilden sowie Ernährungsprotokoll über 7 Tage), die - jedenfalls seit dem 14.01.2015 - fast vollständig beim MDK vorlagen. Deshalb wurde die Klägerin - unter Hinweis auf das Mitbringen eines Ernährungstagebuchs über mindestens 1 Woche sowie aktueller Laborbefunde - zum 26.01.2015 zur Untersuchung einbestellt. Anlässlich der Begutachtung durch die Ärztin Dr. D. kam diese zu der Einschätzung, dass aufgrund der Untersuchung vom 26.01.2015 festgestellt werden müsse, dass keine Ultima-ratio-Indikation bestehe. Vielmehr seien konservative Maßnahmen vordringlich, zumindest sollte die Klägerin - selbst wenn in Zukunft eine bariatrischen Maßnahme tatsächlich in Betracht käme - eine Ernährungs-/Bewegungstherapie durchführen, damit der Grundstein für eine Livestyleänderung gelegt werde. Deshalb könne die gewünschte Operation derzei...

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